Der Haushalt ist und bleibt unsozial

Kreistagssitzung 3. Dezember 2014

Rede zum Nachtragshaushalt 2015

Sehr geehrte Frau Kreistagsvorsitzende,

meine Damen und Herren,

im Nachtragshaushalt müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden
für Jugendhilfe und für Transferleistungsberechtigte im Bereich „Kosten für Unterkunft und Heizung“.

Diese Anpassungen sind nötig.
Der Haushaltsansatz war im Bereich „Soziales“ nicht auskömmlich.

Doch bereits vor Haushaltslegung war absehbar, dass die Fallzahlen in der Jugendhilfe und bei der Inklusion steigen werden – und auch, dass die Bedarfsgemeinschaften im SGB II weiter steigen werden.
Sie haben diese Steigerungen nicht beachtet und sind von gleichbleibenden Fallzahlen ausgegangen.

Ich denke aber, diese Steigerungen waren dem Landrat als Kämmerer bewusst. Man wollte halt einen Haushalt vorweisen,
der es 2016 möglich macht, aus dem Schutzschirm zu entkommen.
Da ist der Kämmerer ja erfindungsreich.

Wir Linken fragen uns nur:

Wieso muss man von zu niedrigen Fallzahlen ausgehen, nur um sich
einer verfehlten Finanzierung der Kommunen anzupassen?
Warum zeigt man nicht mit realen Zahlen, wie hoch der Bedarf wirklich ist?

Muss man Sozialleistungen derart herunterfahren, dass es knirscht und kracht?

Muss man den armen Menschen noch weitere Rücksichtslosigkeiten aufdrücken?

Diese beiden letzten Frage beantworten wir Linken bekannterweise mit Nein!
Wir fragen eher: Wem nützt das?

Werte Damen und Herren,

einen Punkt möchte ich besonders herausgreifen und daran die Folgen dieser unsozialen Haushaltspolitik deutlich machen:

Es sind die Kosten für Unterkunft und Heizung bei Transferleistungsberechtigten.
Das sind nicht nur Menschen ohne Arbeit. Das sind vor allem auch Aufstocker, die so wenig verdienen, dass es nicht zum Leben reicht.

 

Zwischen dem Jobcenter und dem Wetteraukreis wurde – im Juli 2014 –
eine Zielvereinbarung getroffen, die Kosten der Unterkunft zu mindern. Sie nennen es „steuern“.

Derzeit ist das Jobcenter dabei rauszufiltern,
wie viele Leistungsberechtigte über der Mietobergrenze liegen.
Danach wird ein Mietminderungsverfahren eingeleitet.

Konkret heißt das: An die Menschen ergeht eine Aufforderung,
in den nächsten 6 Monaten entweder eine billigere Wohnung zu finden oder den Vermieter zu überreden, die Miete zu senken.

Diese Vorgehensweise stürzt Betroffene oft in große Verzweiflung.
Sie wissen nicht, wie sie dieser Mietminderungsaufforderung nachkommen sollen.

Fragen Sie doch mal die Makler in Ihren eigenen Reihen – Frau Sommermeyer zum Beispiel – in wie vielen Fällen ein Vermieter
die Miete senken wird. Absurd!

Finden die Betroffenen in den nächsten 6 Monaten keine billigere Wohnung, wird vom Jobcenter der Mietzuschuss gekürzt und die Leute bleiben auf den Mehrkosten sitzen.
Sie sparen dann bei Strom, Essen und Kleidung, um die volle Miete zahlen zu können. Dann wird oft schon zur Katastrophe, wenn das Kind wächst und neue Schuhe braucht.

Fakt ist doch: es gibt viel zu wenige Wohnungen, die mit den Mietobergrenzen des Wetteraukreises angemietet werden könnten.

Wir können das beweisen.

Fortlaufend haben wir alle Mietangebote der Wetterauer Zeitung
im Jahr 2014 erfasst.

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd:

Zu Ihren Mietobergrenzen, meine Damen und Herren,
gibt es so gut wie keinen Wohnraum.

Ihr „Schlüssiges Konzept der Mietobergrenzen“ ist mehr als unschlüssig!

Sie wissen das auch! Denn bei Gerichtsverfahren wird von Seiten des Jobcenters immer dann ein Vergleich abgeschlossen, wenn die Gefahr besteht, dass das Gericht das „Schlüssige Konzept“ genauer unter die Lupe nimmt. Dann wird lieber einer klagenden Person gezahlt als dass der größte Mangel des Konzepts ans Tageslicht kommt.

Nämlich, dass im Vergleich zu 2005 die aktuellen Mietobergrenzen
im Ostkreis und besonders für Familien abgesenkt worden sind! – Teilweise erheblich!

Wer kam eigentlich auf die Idee, dass in Büdingen die Wohnungen für Familien billiger geworden sein sollen als 2005?

Fakt ist: Im Jahr 2014 gab es in Büdingen keine Wohnung unter 375 Euro. Höchstens mal ein Zimmer – aber keine Wohnung, in die auch eine Familie einziehen könnte.

Selbst in Eckartshausen zahlt man mindestens 395 Euro für 78 qm.
Die Mietobergrenze liegt hier für 2 Personen bei 310 Euro, für drei Personen bei 355 Euro. Man müsste also mit 4 Personen in diese 78 qm-Wohnung einziehen, damit die Mietobergrenze passend ist.

In Hirzenhain, das nach Ihren Berechnungen ja sehr preiswerten Wohnraum haben sollte, bekommt man 70 qm für 400-450 Euro. Da müsste man dann mit 6 bis 7 Personen einziehen, damit Ihre Mietobergrenzen passen.

Uns ist schon klar, warum Sie die Datenbasis Ihres Schlüssigen Konzepts
so sorgsam unter Verschluss halten! Wahrscheinlich wird der Wohnungsmarkt darin wieder nicht angemessen berücksichtigt. 
Und das soll vertuscht werden, damit man sparen kann.

Und wo ich schon dabei bin, mich aufzuregen: 

Am Rande möchte ich bemerken, dass Sie mit Ihrer Ablehnung unseres Antrags „Mietbescheinigungen abschaffen“  (weil sie nicht gesetzeskonform sind) eine weitere Vertuschung unterstützt haben.
Sie haben unisono mit dem Jobcenter behauptet: Mietbescheinigungen werden nicht verlangt – höchstens freiwillig. Jedenfalls hängt nichts davon ab, ob sie vorliegen oder nicht.
Aber Fehlanzeige: Am 1. Dezember 2014 wurde zum Beispiel einem Antragsteller im Jobcenter ein Merkblatt ausgehändigt, was er alles vorzulegen hat.
Und? Was steht drauf?
„…lassen Sie sich vom Vermieter eine Mietbescheinigung ausfüllen. Sprechen Sie mit der Mietbescheinigung beim Jobcenter vor. Jetzt erst kann über eine Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung entschieden werden.“

Werte Damen und Herren,

der Haushalt bleibt trotz der Anpassungen, die notwendig sind, weiterhin höchst unsozial. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass diese neuen Haushaltsansätze für 2015 erneut nicht auskömmlich sein werden. Und wie wir Sie kennen, werden Sie sich weitere soziale Einschnitte einfallen lassen. Dem werden wir auf keinen Fall zustimmen.

Wenn man mit Kürzen und Sparen aus der Finanzmisere der Kommunen rauskommen könnte, würden auch die Linken überlegen, Sparmaßnahmen zuzustimmen, um danach wieder solide wirtschaften zu können.

So argumentiert ja auch immer der Landrat.

Dumm nur: bei gleichbleibend zu geringen Einnahmen funktioniert das nicht.

Bleibt also, andere Ideen zu realisieren: Vor allem die Wiedererhebung der Vermögensteuer ist aus unserer Sicht eine sehr gute Idee.
Selbst eine geringe Vermögensteuer von einem Prozent würde bereits ausreichen, um zusätzlichen Spielraum von 1,5 Milliarden Euro im hessischen Landeshaushalt zu schaffen.
Außerdem würde sie ausschließlich die Vermögen derer belasten, die mittlerweile deutlich weniger Steuern zahlen als noch unter Kanzler Helmut Kohl (CDU).

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.