1. Vorab:
Frau Becker-Bösch erklärte im Kreistag am 4. Oktober 2023 bezogen auf den Antrag der Linken „Übergang vom Sozialamt (AsylbLG) zum Jobcenter (SGB II) darf nicht die Existenz gefährden“:
Es gebe keine Lücken beim Übergang vom Sozialamt zum Jobcenter. Die Betroffenen erhielten rechtzeitig ein Schreiben, wann ihre Unterstützung nach AsylbLG endet und könnten sich daher auch rechtzeitig beim Jobcenter anmelden. Bei Härtesituationen zahle das Sozialamt weiter, bis die Leistungen des Jobcenters einsetzten.
Wie kann es dann zu folgendem Sachverhalt kommen?
Bitte begründen sie das, denn es passt so gar nicht zu den oben genannten Aussagen der Sozialdezernentin.
Eine Frau mit Baby erhielt am 20. 10. 2023 einen Bescheid über die Einstellung der Leistungen nach AsylbLG zum 1. 8. 2023. Sie stellte natürlich unverzüglich einen Antrag beim Jobcenter Wetterau, der aber natürlich nicht rückwirkend zum 1. 8. 2023 wirksam wird, sondern ab Antragstellung. Auch das ist nicht geschehen, denn die Bearbeitung dauerte einige Wochen und erst dann starteten (nicht gesetzeskonform!) die Leistungen.
Die junge Frau teilte das dem Sozialamt FD Migration–Leistung mit und forderte die Weiterzahlung der Leistungen, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können. Doch sie erhielt weder eine Antwort (auf zwei entsprechende Schreiben) noch eine Fortzahlung nach AsylbLG übergangsweise.
Zudem erhielt die Frau einen Gebührenbescheid für die Geflüchtetenunterkunft, dem sie widersprach. Denn sie hatte ja ab 1. 8. 2023 weder Einkünfte aus Arbeit noch hatte sie rechtzeitig einen Bürgergeldantrag stellen können. Der Widerspruch ist datiert vom 6. 11. 2023. Bis dahin hatte das Jobcenter den Antrag noch nicht beschieden.
Dem Widerspruch wurde nicht stattgegeben. Es hieß als Begründung lapidar: „Bitte reichen Sie Ihren Gebührenbescheid vom 23. 10. 2023 bei Ihrem zuständigen Jobcenter ein.“
Die Gebühren wurden ab 1. 8. 2023 erhoben.
Das Jobcenter zahlte erst nach der positiven Bescheidung.Der Lebensunterhalt der Frau und ihres Kindes war in dieser Zeit nicht gesichert.(Entsprechende Unterlagen liegen uns in Kopie vor.)
Antwort: Personen, die eine Anerkennung oder einen Aufenthaltstitel erhalten, sind spätestens im Folgemonat nach der Anerkennung oder der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht mehr leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Sobald die Fachstelle Migration Leistung Kenntnis über die Anerkennung oder die Erteilung des Aufenthaltstitel hat, werden die betroffenen Menschen zur unverzüglichen Antragstellung beim Jobcenter aufgefordert. Sollte die Kenntnisnahme des Rechtskreiswechsels zur Mitte eines Monats erfolgen, werden in der Regel noch Leistungen nach dem AsylbLG für den Folgemonat gewährt.
Dieses mit dem Jobcenter abgestimmte Verfahren ermöglicht den Menschen einen Rechtskreiswechsel, ohne dass es zu einer Unterbrechung der existenzsichernden Leistungen führt.
In Einzelfällen ist es durchaus möglich, dass die Kenntnisnahme über die Anerkennung erst Monate später erfolgt und daher rückwirkend eingestellt wird. Dies führt aber nicht dazu, dass den Menschen keine existenzsichernden Leistungen gewährt werden. In diesen Fällen greift das Erstattungsverfahren zwischen dem Jobcenter und der Fachstelle Migration Leistung.
Das Jobcenter und die Fachstelle Migration Leistung stehen im Übergangsprozess im engen Austausch und stimmen sich bei Einzelfällen ab. Es wird immer angestrebt, dass es zu keiner Unterbrechung der existenzsichernden Leistungen auf Grund behördlicher Arbeitsprozesse kommt.
Gerne bieten wir zwecks Klärung an, den oben geschilderten Einzelfall mit der Fachstellenleitung der Fachstelle Migration Leistung, Frau Isfen, zu besprechen.
2. Uns liegen zahlreiche Schreiben vor, die von den anerkannten Geflüchteten verlangen, innerhalb von drei Monaten aus der Asylunterkunft auszuziehen. Haben sie in den genannten drei Monaten keine bezahlbare Wohnung gefunden (auf die Mietobergrenzen des Wetteraukreises wird explizit hingewiesen), folgt ein weiteres Schreiben: „unserer Auszugsforderung vom x.x.x sind Sie leider innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen“. Die Betroffenen sollen nachweisen, „welche Bemühungen sie unternommen haben, um um eine Wohnung zu finden.“ Es liegt ein Formular bei, auf dem die Wohnungssuche nachgewiesen werden muss. Manche Betroffene wurden nach Ablauf der Frist in eine viel kleinere Unterkunft verlegt. Dabei Familien mit Kindern.
Unsere Frage ist:
Wieso versenden Sie diese Aufforderungen mit einer ultimativen Terminvorgabe und mit diesen Druckmitteln, obwohl Ihnen klar ist, dass es keinen ausreichenden bezahlbaren Wohnraum gibt und die Suche meist sehr langwierig ist und obwohl Ihnen klar ist, dass auch der Nachweis der Bemühungen keine Wohnung herbeizaubert?
Antwort: Nach § 5 Absatz 3 Landesaufnahmegesetz Hessen endet das Nutzungsverhältnis mit bestandskräftiger Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach Kapitel 2 Abschnitt 5 und 6 des Aufenthaltsgesetzes für die untergebrachte Person. Zudem sind die untergebrachten Personen mit bestandskräftiger Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach Kapitel 2 Abschnitt 5 und 6 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet, sich selbst um eine Wohnung zu bemühen. Zudem besagt §3 Absatz 2 Landesaufnahmegesetz Hessen, dass kein Anspruch auf Unterbringung in einer bestimmten Unterkunft besteht. Eine Unterbringung in einer anderen Unterkunft oder eine Verlegung innerhalb der Unterkunft kann durch den Kreisausschuss oder den Gemeindevorstand angeordnet werden. Verlegungen werden stets unter Einhaltung der „Anforderungen an Wohnraum“ durchgeführt. Trotz des angespannten Wohnungsmarktes gelingt es geflüchteten Einzelpersonen und geflüchteten Familien
im Übrigen nach wie vor Privatwohnungen innerhalb der Mietobergrenzen des Wetteraukreises zu finden und anzumieten.
3. Bei den überhöhten Gebühren für Geflüchtetenunterkünfte können schnell hunderte oder gar tausende Euro Schulden zusammenkommen. Insbesondere für größere Familien und wenn der Übergang vom Sozialamt zum Jobcenter nicht problemlos verläuft.
In einem Fall waren Gebühren von mehr als 5000 Euro aufgelaufen. Der Betroffene beantragte eine Ratenzahlung von 50 Euro, um seine Lebenshaltung und die weiter fortlaufenden Gebühren monatlich bezahlen zu können. Er arbeitete teilweise in einem Minijob mit aufstockenden Leistungen vom Jobcenter bzw. teilweise bekam er nur Geld vom Jobcenter.
Dem Antrag auf Ratenzahlung von 50 Euro wurde nicht stattgegeben, sondern man verlangte mindesten 200 Euro im Monat.
Unsere Fragen:
Wie begründen Sie diese Vorgehensweise? Wieso wird geduldet, dass das Existenzminimum derart unterschritten wird, dass die Lebenshaltung nicht mehr gewährleistet werden kann?
Antwort: Der Träger der Unterkunft ist nach §4 und §5a Absatz 1 Nr. 2 Landesaufnahmegesetz Hessen dazu ermächtigt Gebühren für die Unterbringung, die die tatsächlichen Kosten nicht überschreiten, zu erheben.
Bei einem Rechtskreiswechsel in das SGB II werden die Gebühren bei einem bestehenden Anspruch auf SGB II-Leistungen durch das JC (anteilig bei Einkommen) gewährt und auch an den Wetteraukreis gezahlt. Daher kann in diesen Fallkonstellationen eine Gebührenschuld i.H.v. 5.000 € ohne mehrfach versandte Erinnerung und Mahnung nicht auflaufen.
Sollten die Gebührenpflichtigen auf Grund von Einkommen selbst zur Zahlung verpflichtet sein, so erfolgt dies mit rechtzeitiger Ankündigung und Gebührenerhebung per Bescheid. Auch in diesen Fällen werden die Gebührenpflichtigen regelmäßig gemahnt, so dass eine solch hohe Summe nur über einen längeren Zeitraum angelaufen sein kann.
Ungeachtet dessen werden Ratenzahlungen regelhaft so ausgestaltet, dass es den finanziellen Verhältnissen angepasst bemessen ist. Ratenzahlungsvereinbarungen werden von der Fachstelle Migration Leistung nicht abgelehnt.
In dem geschilderten Fall kann es sich daher lediglich um einen seltenen Einzelfall handeln, der gerne mit der Fachstellenleitung der Fachstelle Migration Leistung, Frau Isfen besprochen werden kann.
4. Der Wetteraukreis fungiert als Vollstreckungsbehörde z.B. für die Stadt Friedberg, wenn Kindergartengebühren eingetrieben werden sollen. Wenn ein Vollstreckungsbescheid ergangen ist, lassen Sie keine Ratenzahlung mehr zu: Sie wollen den Betrag auf ein Mal. Wie begründen Sie das? Warum wird auf die finanzielle Situation der Familien keine Rücksicht genommen?
Antwort: Die Fachstelle Zahlungsabwicklung handelt als Vollstreckungsbehörde auf der Grundlage des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (HessVwVG). Gemäß § 29a Abs. 1 HessVwVG soll sie in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche und zügige Erledigung hinwirken. Zu Beginn jedes Vollstreckungsersuchens muss grundsätzlich der Versuch unternommen werden, Forderungen in einer Summe beizutreiben. Die Vollstreckungsbehörde kann, soweit der Gläubiger dies nicht ausgeschlossen hat, jederzeit während des Vollstreckungsverfahrens dem Pflichtigen eine Zahlungsfrist einräumen oder
eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlungen) gestatten, wenn der Pflichtige glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. Soweit ein Zahlungsplan festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben.“
5. Eine Frau beantragt beim Ausländeramt Reisepapiere für sich und ihre zwei Kinder. Sie bekommt eine Aufforderung, den Antrag zurückzunehmen, weil sie ihre „Bemühungen in Bezug auf die Erlangung eines afghanischen Reisepasses für ihr Kind“ nicht „in geeigneter Weise“ dokumentiert hätte. Dazu ist auszuführen: Die Frau ist keine afghanische Staatsbürgerin. Sie hat auch nicht nur Papiere für ein Kind beantragt. Ihr Antrag wurde mit dieser falschen Begründung und mit einer Verwaltungsgebühr von 102 Euro abgelehnt. Ein Widerspruch blieb unbeantwortet.
Wie kann sich eine Person in einem solchen Fall wehren? An wen kann sie sich wenden? Gibt es eine Ombuts- oder Schiedsstelle?
Antwort: Im Falle eines negativ beschiedenen Antrags ergeht ein Bescheid mit entsprechender Bearbeitungsgebühr gemäß Gebührensatzung inkl. einer Rechtsbehelfsbelehrung. Im Aufenthaltsrecht steht im Falle eines Widerspruchs lediglich der Klageweg beim Verwaltungsgericht offen.
Im Zuge eine Qualitätssicherung bieten wir im Einzelfall gern eine Überprüfung an – die Nennung der Personalien vorausgesetzt.