Armutsforscher Dr. Christoph Butterwegge: Niedriglöhne und Zeitarbeit bieten keine Perspektive, um der Armut zu entkommen

Mehr als hundert interessierte Gäste waren einer Einladung des Vereins „Linke Hartz4-Hilfe Wetterau“ gefolgt. In der Stadthalle Friedberg fand das fünfte Forum des Vereins statt unter der Überschrift „Reichtum für wenige – Armut für viele?“. Referent und Diskussionspartner war der emeritierte Professor der Universität Köln, Dr. Christoph Butterwegge, der als „Armutsforscher“ bekannt ist. Buttewegge selbst betonte, dass er sich nicht allein mit der zunehmenden Armut beschäftigt. Die Ungleichheit und die Spaltung der Gesellschaft in ganz wenige Hyperreiche und eine steigende Zahl armer Menschen müsse man zusammen sehen. Es ist bekannt, dass bereits zu Jahresbeginn 2020 – also vor Corona und Ukrainekrieg – die reichsten 45 Familien in Deutschland so viel besaßen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. In Europa ist Deutschland das Land mit dem stärksten Anstieg der sozialen Ungleichheit in den letzten 20 Jahren. Durch Inflation und Wirtschaftskrieg verschärft sich die Ungleichheit noch.
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung gibt es derzeit nicht. Krisenbeihilfen federn bestenfalls die schlimmsten Belastungen bei den Energiekosten ab. Butterwegge warnt davor, das Thema Armut als „Jammern auf hohem Niveau“ zu bagatellisieren. Die 13,8 Millionen Menschen, die in unserem Land in Armut leben müssen, erfahren massive soziale Ausgrenzung, die sich auf die Psyche auswirkt und schlimmer sein kann, „als mit leerem Magen schlafen zu gehen“. Doch auch Hunger ist ein Thema. Davon zeugen 960 Tafeln, die hoffnungslos überlastet sind. Vor diesem Hintergrund kritisiert Butterwegge auch die Umwandlung von Hartz4 in Bürgergeld. „Das ist keine Politik, die Armut bekämpft.“ Bei steigenden Mieten, Energie- und Lebenshaltungskosten gleichen 50 Euro höhere Leistungen bestenfalls die Inflation aus. Da sowieso rund 70 Prozent der Hartz4-Leistungsberechtigten arbeiten aber in Billiglohnverhältnissen viel zu wenig zum Leben verdienen, wären arbeitspolitische Maßnahmen mehr als dringend nötig. Niedriglöhne und Zeitarbeit bieten keine Perspektive. Es braucht ausreichend bezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze.
Das gilt auch für Migranten. „Integration, die man zu Recht von den Migranten erwartet, ist keine Einbahnstraße, sondern kann nur gelingen, wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen und Migranten gleiche Rechte und soziale Chancengleichheit einräumen“, sagt Butterwegge. Davon ist die Politik mit dem neuen Bürger-Hartz meilenweit entfernt.