Erstellung von Integrationsprognosen

DIE LINKE. Fraktion richtete am 03. Februar 2012 die folgende Anfrage an die Kreistagsvorsitzende Frau Becker-Bösch:

1. Wie ist die Vorgehensweise der Kreisverwaltung:

Müssen die von der Integrationsprognosenerstellung betroffenen Flüchtlinge – deren bisheriges Bleiberecht auf Probe ausläuft – die Verlängerung ihres Bleiberechts auf Probe beantragen oder erstellt die Ausländerbehörde von Amts wegen eine begründete Integrationsprognose, die dann darüber entscheidet, ob Betroffene eine weitere Verlängerung ihres Bleiberechts auf Probe erhalten oder nicht?

2. Gibt es Standards/Kriterien/Maßstäbe/Definitionen für das, was in den Prognosen als „Integration“ verstanden wird? Was wird alles in die Prognosen einbezogen und in welche Lebens- und Verhaltensweisen haben sich die Flüchtlinge zu integrieren?

Wie ist ferner „Prognose“ definiert? Worauf stützt sie sich im Einzelnen?

3. Wie ist die Gewichtung der einzelnen Kriterien definiert? Welche Rangfolge haben sie?

4. Falls die begründeten Integrationsprognosen von Amts wegen erstellt werden:

werden die Betroffenen darüber informiert, dass über sie Integrationsprognosen erstellt werden?

5. Wie werden die Betroffenen darüber aufgeklärt, worum es sich bei den Prognosen handelt und was sie bedeuten? Wurde dazu Informationsmaterial (evtl. in verschiedenen Sprachen) entwickelt?

6. Wie und auf welcher Grundlage erstellt die Behörde die Integrationsprognosen und deren Begründung? Gibt es dazu landesministerielle schriftliche Anweisungen und/oder Ausführungsbestimmungen? Wenn ja, welche? Oder haben die Landkreise welche erarbeitet? Gibt es dazu schriftliche Erläuterungen und kommunikativen Austausch? Wenn ja, bitten wir um Vorlage.

Wenn es dazu weder vom Land Hessen noch von anderen Landkreisen rechtlich verbindliche Vorgaben gibt: wie will der Wetteraukreis verfahren?

Werden die Betroffenen befragt? Werden Leumundszeugnisse der Nachbarn eingeholt? Werden Schulen, Behörden und/oder Arbeitgeber befragt? Oder Vereine?

7. Welche Möglichkeiten haben die betroffenen Flüchtlinge ihrerseits, ihre Integration nachzuweisen bzw. zu belegen?

8. Was gilt als Beleg z.B. für die vorhandenen Deutschkenntnisse, für die sozialgesellschaftlichen Kontakte zu Deutschen sowie die gesellschaftliche Vernetzung insgesamt?

9. Wie wird mit den Personenkreisen der lernbehinderten, traumatisierten und/oder analphabetischen Flüchtlinge umgegangen, die auf Grund ihrer Schäden nicht in der Lage sind, Deutsch zu lernen, zu schreiben oder genauer zu verstehen?

10. Was soll mit den betroffenen Flüchtlingen geschehen, die von Natur aus, in Folge ihrer Erlebnisse und/oder aus anderen Gründen, introvertiert sind und soziale Kontakte eher meiden?

11. Beabsichtigt der Wetteraukreis eine negativprognostische Auswahl dieser Flüchtlingsgruppen zu vermeiden, oder klarer gefragt:

Dürfen Introvertierte/Traumatisierte/Verfolgungsgeschädigte bleiben oder können sie keine günstige Integrationsprognose erhalten, weil sie einen wichtigen Maßstab nicht erfüllen können?

12. Gibt es Weiterqualifizierungshilfen, um zu einer positiven Integrationsprognose zu gelangen?

13. Welcher Nachweis zu Sicherung des eigenen Lebensunterhalts muss erbracht werden?

14. Was muss nachgewiesen werden: Vollzeitjob, Teilzeitjob, Minijob, Gelegenheitsarbeit, befristete/unbefristete Arbeit?

Und was ist mit jenen Personen in ungesicherten Arbeitsverhältnissen, die nach Geschäftslage freigesetzt, reingeholt, freigesetzt etc. werden – je nach Arbeitgeberbedarf? (Beispiel: Entlassung vor Weihnachten ohne Weiterbeschäftigungsaussicht, plötzliche Wiederbeschäftigung ab Mitte Januar usw.)

15. Reicht es aus, wenn die Betroffenen einen Teil zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts erwirtschaften?

16. Wenn ja, wie hoch muss dieser Anteil sein?

17. Wird dabei die individuelle Situation der jeweiligen Person wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, erlittene Leiden, Familien- und Wohnsituation, Kompetenzen, Leistungsfähigkeit und Qualifikationen berücksichtigt?

18. Was ist mit jenen, die sich nachweislich um Arbeitsverhältnisse bemüht haben, aber nirgends beschäftigt wurden/werden?

19. Gibt es Fristen, zu denen Nachweise erbracht sein müssen, damit ein Betroffener/eine Betroffene, den Stand seiner/ihrer Integration belegen kann?

Werden diese Fristen den Betroffenen mitgeteilt?

20. Welche Ermessensspielräume hat die Behörde bei der Beurteilung der Integration bzw. der Chancen eines/einer Betroffenen, sich künftig besser zu integrieren?

21. Wird die Verteilungsrate von positiven und negativen Integrationsprognosen auch von der Haushaltslage/Finanzierungskraft des Wetteraukreises und seiner Kommunen abhängig sein oder davon mitbestimmt werden – wie Innenminister Rhein in seiner Presseerklärung vom 20. Dezember 2011 andeutete?

22. Werden den Betroffenen die Begründungen der Integrationsprognosen von Amts wegen übermittelt?

23. Gibt es Einspruchsrechte, z.B. bei einer negativen oder zweifelhaften Begründung einer Integrationsprognose?

24. Welche Korrekturmöglichkeiten bestehen?

25. Soll die Erteilung der Integrationsprognose den Status eines rechtsverbindlichen behördlichen Verwaltungsaktes haben?

26. Welche weiteren Rechtsmittel stehen den Betroffenen zur Verfügung, um der über sie erhobenen Integrationsprognose und deren Begründung ggf. widersprechen oder sie korrigieren/ergänzen zu können? Ist es z.B. möglich, den Bescheid mit der Integrationsprognose und ihrer Begründung fachgerichtlich überprüfen zu lassen, also den Weg der Gerichtsbarkeit zu beschreiten?

27. Wie soll für die betroffenen Flüchtlinge dabei die notwendige Rechtssicherheit hergestellt bzw. gewahrt werden, sofern es sich dabei nicht um einen rechtsverbindlichen behördlichen Verwaltungsakt handeln sollte?

28. Dazu gehört auch die Frage nach der Transparenz des Verfahrens: Ist vorgesehen, strittige Integrationsprognosen – sofern sie von betroffenen Flüchtlingen bestritten werden können – von unabhängiger Seite überprüfen zu lassen?

29. Wo ist die Integrationsbehörde im Wetteraukreis installiert?

30. Wie viele Arbeitskräfte werden derzeit eingesetzt, um diese Prognosen mit ihren Begründungen zu erstellen?

31. Werden zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt?

32. Sind die Arbeitskräfte für die Arbeit mit diesen besonderen Personengruppen aus- oder weitergebildet? Und wie?

33. Wie viele Integrationsprognosen wurden in den Jahren 2010-2011 erstellt, wie viele davon waren positiv, wie viele negativ?

34. Wie kann der Kreistag die integrationsbehördliche Praxis der Erstellung der Integrationsprognosen und der Begründungen kontrollieren? Wie kann der Kreistag das Verwaltungshandeln im Rahmen des in Hessen verlängerten Bleiberechts auf Probe kontrollieren?

35. Welche Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Kreis der betroffenen Flüchtlinge, dem Ausländeramt, der Integrationsprognosenstelle, der Politik sind vorgesehen?

36. Welche könnten geschaffen werden, um überflüssige sozialpolitische Reibereien und weitere Depravierungen der Flüchtlinge möglichst zu vermeiden?

 

Was ist daraus geworden?

Der Landrat antwortete am 27. Februar 2012: „Die Anfrage zum Thema „Bleiberecht auf Probe“ betrifft das Thema Aufenthaltsrecht. Dabei handelt es sich um eine Auftragsangelegenheit im Sinne des § 4 Abs. 2 HKO. Diese wurden dem Kreistag als Überwachungsaufgabe gemäß § 29 Abs. 2 HKO vom Landesgesetzgeber Ende 2011 entzogen.

Dies trifft auch auf die Anfrage mit dem Themenschwerpunkt „Bleiberecht“ zu.“