Rücknahme der Kürzungen für Noteltern

Für die Kreistagssitzung am 28. August 2013 stellt die Fraktion DIE LINKE. folgenden Antrag:

Der Kreistag möge beschließen:

Der Kreistag fordert den Kreisausschuss auf, die Kürzung des Entgelts für ambulante Bereitschaftspflege zurückzunehmen bzw. die derzeitigen Leistungen wieder auf das Niveau vor dem 1. Januar 2013 zu erhöhen.

Außerdem soll zu dem System zurückgekehrt werden, die Leistungen im Voraus zu zahlen und nicht von den Pflegeeltern in Vorleistungen zu verlangen.

Begründung:

Bis zum 31. Dezember 2012 erhielten die ambulanten Pflegeeltern einen Tagessatz von 70 Euro.
Ab dem 1. Januar 2013 wurden die Leistungen wir folgt gestaffelt:
von der 1. bis zur 4. Woche der Inobhutnahme 70 Euro
von der 5. bis zur 8. Woche der Inobhutnahme 50 Euro
ab Beginn der 9. Woche der Inobhutnahme 35 Euro

Bereitschaftspflegeeltern leisten eine sehr engagierte Arbeit, die von ihnen erheblichen persönlichen Einsatz erfordert. Das ganze Familienleben muss auf das Kind eingestellt werden. Ambulante Pflegeeltern gewährleisten in einem akuten Notfall die Unterbringung eines traumatisierten Kindes. Dadurch wird weiterer Schaden vom Kind abgehalten. Die Kinder kommen mit körperlichen und seelischen Verletzungen zu den Pflegeeltern. Sie benötigen über längere Zeit intensivste Zuwendung und Betreuung.

Im Leitfaden für familiäre Bereitschaftspflegestellen werden die Aufgaben wie folgt beschrieben:
„Ihre Aufgabe ist es:
– jedes in Obhut genommene Kind aufzunehmen
– Tag und Nacht, sowie an Wochenenden und Feiertagen in den vorher gemeinsam
festgelegten Zeiten aufnahmebereit zu sein
– längere Urlaube den Koordinatorinnen des Fachservice Pflegefamilie (Frau Döser oder
Frau Noblé) mitzuteilen mit dem Hinweis, ob das Bereitschaftspflegekind mitgenommen
werden kann
– dem Kind Raum und Zeit zur Verarbeitung seiner Krise zu geben (Wut, Trauer, Angst,
Schmerz etc.) und es dabei liebevoll zu unterstützen
– das Kind Tag und Nacht zu betreuen und alle für es als notwendig erkannten
Fördermaßnahmen, medizinischen Behandlungen, ggf. Kindergarten- oder Schulbesuche
– auch nicht in Wohnortnähe sicherzustellen
– die Kontakte des Kindes zu seinen Eltern sicher zu stellen und mit ihnen zu kooperieren
– mit dem Fachservice, dem Wetteraukreis und bei Bedarf auch anderen Institutionen aktiv zusammen zu arbeiten
– den Wechsel des Kindes in eine andere Maßnahme zu unterstützen und zu begleiten
– an Hilfeplangesprächen teilzunehmen und dort die Erfahrungen / Einschätzungen mit dem / des Kindes und seiner Familie darzustellen
– regelmäßig an den Angeboten des Fachservice Pflegefamilie (Erfahrungsaustausch
mindestens 3xjährlich, Aufbauseminar 1xjährlich, sonstige Fortbildungsangebote)
teilzunehmen“

Vorgesehen ist ein Aufenthalt bis zu drei Monaten. Doch meist bleiben diese Kinder erheblich länger bei den Pflegefamilien – nicht selten über ein Jahr. Die Kinder bleiben so lange, bis der Wetteraukreis eine feste Unterkunft und eine Zukunftsperspektive für sie gefunden hat.

Die ambulanten Pflegeeltern engagieren sich über eine übliche Arbeitszeit hinaus, phasenweise ist es ein 24 Stundenjob. Die Schädigungen der Kinder erfordern hohen sozialen Einsatz. Ambulante Pflegeeltern müssen großes pädagogisches Geschick einbringen und Toleranz. Selbst Bedrohungen kommen vor und belastende Situationen beim Kontakt mit den leiblichen Eltern.

Dies leisten die Pflegeeltern und dennoch ist zu bemerken: es handelt sich um eine Arbeit und kein Ehrenamt, für das nur eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden könnte. Diese verantwortungsvolle und anstrengende Arbeit muss auch so entgolten werden, dass ein angemessener Verdienst zu erwarten ist.

70.- € für eine Unterbringung mit Vollversorgung und 24 Stunden/7 Tage pro Woche Betreuung würde als Bezahlung von „professionellen“ Dienstleistern wohl kaum akzeptiert. Somit leisten Bereitschaftspflegeeltern schon dadurch eine besondere Dienstleistung an der Allgemeinheit, indem sie für relativ wenig Geld eine höherwertige Leistung, als die Bezahlung von 70.- € darstellt, erbringen.

Durch die Kürzungen haben die ambulanten Pflegeeltern erhebliche Einbußen bei der Entgeltung ihrer Arbeit. Die Leistungen, die der Wetteraukreis zahlt, verbleiben nicht etwa voll als „Lohn“ bei den Pflegeeltern. Sie müssen davon nicht nur Kost und Logis zahlen. Von dem Entgelt geht zum Beispiel ab: Fahrten zum Krankenhaus, zu Ärzten und Therapien, Kontaktpflege mit den leiblichen Eltern usw. Die Haltung eines Fahrzeugs ist Pflicht. Den Pflegeeltern wird eine Erstausstattung zur Unterbringung gewährt. Doch schon eine Geburtstagsfeier mit Geschenk gehören nicht zu den Leistungen.

DIE LINKE. kritisiert in diesem Zusammenhang, dass mir der Kürzung der Leistungen eher in Kauf genommen wird, dass ambulante Pflegeeltern abspringen, weil es sich für sie finanziell nicht mehr rechnet, als ein angemessenes Entgelt zu zahlen.

Herr Betschel-Pflügel verwies die ambulanten Pflegeeltern darauf, dass sie mit 35 Euro über dem Satz der Vollzeitpflege von anderen Pflegefamilien liegen. Deren Tagessatz beträgt 26 Euro.

Dass die Inobhutnahme in einem Notfall mit der Situation anderer Pflegefamilien nicht vergleichbar ist und der Einsatz der Eltern sehr hoch ist, weiß Herr Betschel-Pflügel sicher. Deshalb ist diese Begründung für die Kürzungen nicht stichhaltig.

Im Gesamtbericht zum 31. 12. 2012 wurde deutlich, dass im Bereich Soziale Dienste 2,5 Millionen eingespart wurden. Es mag ein Ziel sein, das Defizit des Wetteraukreises zu senken. Doch dies kann nicht zu Lasten dieses enorm wichtigen Bereichs des Kinderschutzes gehen.