Kreistag, 5. Juni 2019
Einführung einer Sozialchipkarte
Herr Kreistagsvorsitzender, meine Damen und Herren,
wer arm ist oder von sozialer Ausgrenzung bedroht – und das sind laut Statistischem Bundesamt derzeit fast ein Fünftel der Bevölkerung – darf nicht vom kulturellen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.
Das gilt vor allem für Kinder aus armen Familien. Arme Kinder haben aber arme Eltern.
Und besonders von Armut betroffen sind alleinerziehende Eltern, hier vor allem alleinerziehende Mütter.
Und das gilt für Menschen in Hartz4 und für Beschäftigte im Niedriglohnsektor.
Wussten sie eigentlich, dass die meisten Hartz4-Leistungsberechtigten arbeiten?
Sie verdienen aber so wenig, dass sie mit Hartz4 auf die Höhe der Grundsicherung aufstocken müssen.
Niedriglöhner landen zudem mit Sicherheit in Altersarmut. Ende 2018 lag die Hälfte der Altersrenten unter 800 Euro.
Wir finden, Sozialpolitik muss sich mit diesen Problemen befassen und der gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegensteuern.
Deshalb haben wir erneut einen Antrag für eine Sozialchipkarte gestellt. Sie soll die Mobilität erhöhen und soziale Ausgrenzung verringern.
Eine Sozialchipkarte – das zeigt Ihre eigene Kostenrecherche – ist finanzierbar.
Wir haben in unserem Antrag Möglichkeiten für den in Frage kommenden Personenkreis aufgeführt.
Darüber hinaus sind uns drei Aspekte besonders wichtig:
1. Vielen Menschen mit geringem Einkommen ist die Teilhabe an Kulturveranstaltungen und am Vereinsleben verwehrt – zum Beispiel ein Theaterbesuch, eine Bibliothekskarte, die Mitgliedschaft in einem Verein, ja selbst die Teilnahme an einer Hochzeit oder einer Beerdigung, wenn sie weiter weg stattfinden.
Oder bei Kindern auch der Eintritt ins Schwimmbad, der Besuch einer Theatergruppe oder der Musikschule.
Bestimmte Gruppen von Bedürftigen erhalten zum Teil Ermäßigungen (Schüler, Studierende, Rentner/innen, Menschen mit Behinderung), während Hartz4-Empfänger oder Geringverdienende den Vollpreis zahlen müssen.
Meine Damen und Herren, wir denken, dass die entstehenden Kosten hierfür nicht astronomisch werden. Die Leistungen werden höchstwahrscheinlich vorrangig Kindern zugute kommen.
2. Eingeschränkte Mobilität bedeutet zusätzliche soziale Ausgrenzung.
Der Wetteraukreis ist ein Flächenkreis. Ärzte, Ämter, Kulturelle Aktivitäten und vieles mehr sind vornehmlich im Westkreis konzentriert oder in Büdingen und Nidda.
Dahin muss man erst mal kommen. Und man muss es bezahlen können.
Schon alltägliche Wege wie Einkaufen, Arztbesuche, Behördengänge werden so zum Problem.
3. Unsere Gesellschaft setzt Bereitschaft zur Mobilität insbesondere bei Arbeitssuchenden voraus, ohne dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Ich will das erklären:
Hartz4 sieht derzeit 35,33 Euro monatlich für Mobilität vor.
Von meinem Wohnort in Karben-Petterweil nach Friedberg würde eine Monatskarte 90,90 Euro kosten.
Innerhalb Friedbergs zahlt ein Erwachsener immer noch 45,60 Euro im Monat.
Die vorgesehene Hartz4-Summe für Mobilität – also die 35,33 Euro – reicht nur für 16 Einzelfahrten innerhalb Friedbergs oder für 8 Tageskarten.
Deshalb sollte die Sozialchipkarte zumindest die Differenz zum Mobiltitässatz bei Hartz4 ausgleichen.
Wenn Sie sich nicht zu einer Chipkarte mit kostenfreiem Nahverkehr durchringen können, meine Damen und Herren, wären die Kosten für eine Monatskarte auf diese 35,33 Euro zu begrenzen.
Meine Damen und Herren,
Sozialpolitik im Wetteraukreis hat nach unserer Auffassung auch die Aufgabe, einer Desintegration von Bürger und Bürgerinnen entgegen zu wirken.
Wir bitten daher um Zustimmung zu einer Sozialchipkarte.