Rehabilitierung von Frau Barbara Degen – erstes Berufsverbotsopfer in Hessen 1974

Rede zu TOP 12 der Kreistagssitzung am 23. August 2017 – antrag DIE LINKE. / Piraten

Rehabilitierung von Frau Barbara Degen

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren!

Der Radikalenerlass ist ein trauriges Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte und wahrlich kein Ruhmesblatt unserer vielgepriesenen Demokratie.
3,5 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger wurden vom Verfassungsschutz überprüft.
Tausende erhielten Berufsverbot.
Viele Menschen hatten Angst, sich in der außerparlamentarischen oder parlamentarischen Linken, bei antifaschistischen und antirassistischen Organisationen oder anderen demokratischen Projekten zu engagieren. Jahre später nannte Willy Brandt den von ihm im Jahr 1972 mitverabschiedeten Radikalenerlass einen „Irrtum“.
Dies ist aber nur ein schwacher Trost, da die durch den Radikalenerlass bedingte Bespitzelung und Ausgrenzung politisch unliebsamer Beschäftigter für Jahre und Jahrzehnte ein Klima der Einschüchterung prägte und zu insgesamt 131 Berufsverboten in Hessen führte.

Keinem einzelnen der vielen Betroffenen konnte vor Gericht jemals eine konkrete Verfehlung nachgewiesen werden. Trotzdem haben sich die Behörden bei keiner/keinem der Betroffenen jemals entschuldigt und niemand ist offiziell rehabilitiert worden!

Zu diesen Menschen gehört auch Barbara Degen.
Sie war von 1971 bis 1974 Leiterin der Kreisvolkshochschule Friedberg.
Frau Degen engagierte sich in der aufkommenden Frauenbewegung, sie war und ist Gewerkschafterin, war erst Mitglied der SPD und wechselte später zur DKP.
1973 begann sich die örtliche CDU-Fraktion auf „die Kommunistin“ einzuschießen, verbreitete in Pressekampagnen Zweifel an ihrer Verfassungstreue. DGB und GEW leisteten solidarische Unterstützung aber die örtliche SPD schwenkte auf die CDU-Kampagne ein. Ende 1974 wurde Barbara Degen der erste Berufsverbotsfall in Hessen.
Viele weitere sollten folgen, bis mit der ersten rot-grünen Landesregierung der Radikalenerlass in Hessen endlich aufgehoben wurde.

Meine Damen und Herren,
seit Einführung des Radikalenerlasses sind 45 Jahre vergangen. Vom Berufsverbot Betroffene kämpfen immer noch um ihre Rehabilitierung. Aber es geht ihnen auch darum, dass diese Zeit öffentlich aufgearbeitet wird. Dass die Opfer finanziell entschädigt werden. Und dass sie das Recht erhalten, Einsicht in ihre Akten beim Verfassungsschutzes zu nehmen.
Besonders wichtig ist, dass die bis heute andauernde Überwachung einiger Betroffener durch den Verfassungssschutz endlich eingestellt wird.
Ich nenne in diesem Zusammenhang die andauernde Überwachung von Sylvia Gingold. Sie ist die Tochter des bekannten Antifaschisten und Resistancekämpfers Peter Gingold, der für seine Verdienste den höchsten französischen Orden trug: „Ritter der Ehrenlegion“.

Meine Damen und Herren,
im Falle der ehemaligen Leiterin der Volkshochschule Friedberg ist festzustellen, dass auch ihr nie eine konkrete Verfehlung nachgewiesen wurde. Sie wurde nie von einem Gericht verurteilt. Ihr konnten keine beruflichen oder fachlichen Vorwürfe gemacht werden.
Sie wurde Opfer einer politischen Hetzkampagne!
45 Jahre gab es nun keinerlei demokratisches Gewissen im Fall des Berufsverbots gegen Barbara Degen.
Im Gegenteil!
Der Landrat empfing Frau Degen zwar kürzlich, zeigte aber keinerlei Verständnis für ihr Anliegen.
Wir finden das ziemlich unverständlich und beschämend!
Der Wetteraukreis sollte sich endlich für dieses Berufsverbot entschuldigen und für eine politische Rehabilitierung durch die Hessische Landesregierung eintreten!