Kinderarmut steigt: Weihnachtsbeihilfe ist überfällig

Die Fraktion DIE LINKE./Piraten stellt zur Kreistagssitzung am 5. September 2018 folgenden Antrag:

Der Kreistag möge beschließen:

Kinder aus Familien, die Leistungen nach SGB II oder SGB XII beziehen, erhalten vom Wetteraukreis jeweils zu Weihnachten eine Weihnachtsbeihilfe von 50 Euro als Einmalzahlung.

(Nach SGB II § 11a (Nicht zu berücksichtigendes Einkommen) Abs. 5 gilt: Geschenke und Zuwendungen, die ohne „eine rechtliche oder sittliche Pflicht“ erbracht werden, „sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit (…) sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.“)

Begründung:
Inzwischen ist die Kinder- und Jugendarmut in Hessen nochmal deutlich angestiegen. Fast ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Hessen sind arm, das sind 181.000 unter 18-jährige.
Im vergangenen Jahr wurde der Antrag der Linken/Piraten auf eine Weihnachtsbeihilfe für Kinder hier im Wetterauer Kreistag mit dem Einwand abgelehnt, mit dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ (BUT) sei das sozio-kulturelle Existenzminimum von hilfebedürftigen Kindern ausreichend gesichert.
Abgesehen davon, dass BUT-Leistungen in einem aufwendigen Verfahren beantragt werden müssen, was viele eigentlich anspruchsberechtigte Eltern davon abhält, darauf zuzugreifen, ist auch höchstens ein Wert von 250 Euro im Jahr als Zuwendung möglich. Und dazu gehört kein Anteil für ein kleines Geschenk zu Weihnachten. Nach wie vor enthält der Regelsatz dafür keinen Cent. (Und nebenbei: für Bildung enthält der Regelsatz monatlich 1,50 Euro!)

In der alten Sozialhilfe gab es eine Weihnachtszuwendung. Nach der Zusammenlegung der alten Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe wurde die Weihnachtszuwendung abgeschafft. Einzelne Kommunen haben seither eine einmalige Zahlung als Weihnachtsbeihilfe beschlossen.
Seit 1.1.2011 erhalten Harz4-Empfänger/innen kein Geld mehr für einen Mehraufwand an Weihnachten, z.B. einen Weihnachtsbaum. Es wird ein geringer Pauschalbetrag in den Regelsatz eingerechnet.
Die vorgenommene Pauschalisierung von einmaligen Leistungen in einen geringfügig erhöhten Regelsatz ist kein hinreichendes Argument gegen die Zahlung einer Weihnachtsbeihilfe. Mit den bestehenden (Eck-)Regelsätzen in Höhe von 416 Euro pro Monat ist kein Ansparen für einmalige Sonderbedarfe wie das Feiern eines Weihnachtsfestes möglich. Die konkrete Bedarfsermittlung über die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) erlaubt zudem Zweifel daran, dass überhaupt an spezifische Sonderbedarfe wie das Weihnachtsfest gedacht wurde. Kinder von Sozialleistungsbezieherinnen und -beziehern werden damit von üblichen Standards der Gesellschaft abgekoppelt.
Die Abschaffung der Weihnachtsbeihilfe steht im Widerspruch zur Bedeutung des Weihnachtsfestes.
Weihnachten hat in unserem Land eine hohe gesellschaftliche Bedeutung, als Bestandteil des religiösen Lebens oder zumindest als wichtiges Familienfest. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet auch, dass man sich kleine Weihnachtsgeschenke oder einen Weihnachtsbaum leisten kann.
Die gut gemeinten und engagierten Wohltätigkeitsveranstaltungen vor Weihnachten können diese Probleme nicht lösen. Mildtätgikeit ist ersetzt soziale Rechte auf Teilhabe nicht.