Kreistagssitzung 28. August 2019
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Meine Damen und Herren!
Wir haben an dieser Stelle schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Armut ein zunehmendes Problem ist.
Inzwischen sind mehr als 20 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland arm oder von Armut bedroht. Glücklicherweise liegt der Armutsanteil im Wetteraukreis noch unter diesen 20 Prozent. Aber es ist kein Randphänomen mehr, sondern ein beachtlicher Bevölkerungsanteil, der von Armut betroffen ist.
Menschen, die nicht in einer sozial tief gespaltenen Gesellschaft leben wollen, reagieren ja schon länger auf die ansteigende Armut. Es gibt mildtätige Einrichtungen, beispielsweise die Tafeln, Kleiderläden beim Roten Kreuz oder Umsonstläden.
Es gibt einen Fonds zur Vermeidung von Armut bei der evangelischen Kirche.
Konkretes Beispiel: Das Projekt „Alle können lernen“ des Evangelischen Familien-zentrums Friedberg. Hier wird ohne Zugangsbarrieren geholfen, wenn das Geld für Schulhefte und andere Schulmaterialien nicht reicht.
DIE LINKE. hat große Hochachtung vor dem Engagement dieser Bürgerinnen und Bürger.
Aber wir sagen:
Armutsbekämpfung und die Sicherung der Teilhabe an der Gesellschaft sind staatliche Aufgaben!
Das kann nicht auf mildtätige Organisationen oder Initiativen abgewälzt werden!
Wenn man das tut und den Sozialstaat immer weiter aushöhlt, wenn man immer mehr Menschen von der Teilhabe an der Gesellschaft ausschließt, veroht die Gesellschaft noch mehr, geht die politische Reise weiter nach rechts und demokratische Grundsätze geraten noch mehr in Gefahr als das heute schon der Fall ist.
Politische Gremien auf jeder Ebene tragen Verantwortung, Armut und Ausgrenzung abzumildern und der sozialen Spaltung entgegenzutreten. Auch kommunale Parlamente! Auch dieser Kreistag!
Meine Damen und Herren,
wir haben in der Antragsbegründung aufgeführt, für welchen Personenkreis wir eine Sozialchipkarte wollen. Das muss ich jetzt hier nicht nochmal ausführen.
Ich möchte aber nochmal auf die Vorwürfe eingehen, wir hätten keine Idee, wie eine Sozialchipkarte finanziert werden kann.
Zuerst mal:
Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg! Drei Millionen stellen in einem Haushalt von 430 Millionen Euro bei gewollter Schwerpunktsetzung auf soziale Teilhabe und Armutsbeklämpfung kein ernst zu nehmendes Risiko dar!
Und ob Sie das jetzt hören wollen oder nicht:
Sie setzen die Schwerpunkte anders.Wir sagen unsozial!
Sie haben mit der „Systematischen Aufgabenkritik“ bereits den Rotstift an den Sozialausgaben des Kreises wüten lassen und zahlreiche gute Leistungen durch Billiganbieter ersetzt.
Sie haben mit der Stelle des zweiten Kreisbeigeordneten allein für den Parteienproporz Hunderttausende Euro in den Haushalt eingestellt.
Sie verzichten schon jahrelang auf Einnahmen: drängen nicht auf eine Gewinnbeteiligung an den Sparkassengewinnen, setzen sich für keine Vermögenssteuer ein, rufen Mittel nicht ab, die das Land für bezahlbaren Wohnraum bereitgestellt hat.
Ihre Parteien wollen den Rüstungshaushalt verdoppeln – und Sie sagen dazu NICHTS!
Nur um mal einige wichtige Posten zu nennen.
Sie akzeptieren seit Jahren die Unterfinanzierung der Kommunen und wollen uns jetzt erzählen, es gäbe kein Geld für eine Sozialchipkarte?