Zweierlei Maß

Landrat Weckler schürt im FAZ-Interview vom 14. 12. 2022 Vorbehalte gegen Geflüchtete

Wenn Landrat Weckler von den Belastungen durch die Aufnahme von Geflüchteten spricht, meint er nicht ukrainische Geflüchtete. Es geht um so genannte „Weltflüchtlinge“. Der Landrat stellt die Überlastung des Wetteraukreises durch diese Gruppe immer ganz nach vorne: „Die Aufnahmekapazitäten laufen voll“, „Wir sind an unserer Belastungsgrenze“, „Es kommen inzwischen 80 Prozent Weltflüchtlinge und nur 20 Prozent Ukrainer bei uns an“, „Es sind zehnmal so viele Menschen wie 2021“ und „Bürger wollen keine Flüchtlinge mehr“. Das hört sich wie eine Flutwelle an. Nach Katastrophe.

„Dieses Unheilsszenario veranlasste die Fraktion DIE LINKE. im Kreistag, die Zahlen eingehend nachzuprüfen,“ sagt Fraktionsvorsitzende Gabi Faulhaber. „Und wir kamen zu folgendem Ergebnis: Von Januar bis Oktober 2022 waren rund 1,1 Millionen ukrainische Geflüchtete in Deutschland (laut Ausländerzentralregister). Die Zahl der Asylanträge – das sind die „Weltflüchtlinge“ – lag in dieser Zeit bei 181.612. Im November kamen weitere 29.383 Asylsuchende hinzu. Dazu wurden noch Altfälle verzeichnet, so dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asylsuchenden bis Ende November 2022 mit 214.253 Personen beziffert. Diese Zahlen gelten für das gesamte Bundesgebiet. Wieso 215Tausend Personen eine Katastrophe für ein 83-Millionen-Volk sein sollen, erschließt sich uns nicht. Was die Aufnahme von Geflüchteten schwer macht, ist die große Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine. Denn insgesamt – also alle Geflüchteten zusammengerechnet – liegt die Zuwanderung zur Zeit etwas über den Zahlen von 2016.“

Seit einiger Zeit kommt in der Wetterau wöchentlich ein Bus mit Geflüchteten an.
Bis Ende Oktober waren diese Ankömmlinge überwiegend Ukrainer. Im November kamen weniger Ukrainer und mehr „Weltflüchtlinge“. Das meint der Landrat mit seiner Katastrophenmeldung, es kämen jetzt 80 Prozent „Weltflüchtlinge“. Das Verhältnis hat sich umgekehrt. Bisher hat sich die wöchentliche Anzahl der Ankömmlinge nicht verändert. Aber natürlich könnte im Laufe des Winters die Zahl der Schutzsuchenden wachsen.

Faulhaber merkt an: „Zweifellos ist die Aufnahme von Geflüchteten eine anspruchsvolle Aufgabe. Doch in der Darstellung des Landrats ist nie die Rede von den ukrainischen Geflüchteten. Als Belastung gelten ausschließlich die „Weltflüchtlinge“. Da fragt man sich schon, welches Menschenbild dieser Wahrnehmung zugrunde liegt.“

DIE LINKE. Kreistagsfraktion verweist darauf, dass in den bisher bestehenden Gemeinschaftsunterkünften noch 800 anerkannte „Weltflüchtlinge“ feststecken. „Die bleiben da nicht, weil es dort so schön ist. Sie finden keine bezahlbare Wohnung!“ kritisiert Faulhaber und verweist einmal mehr darauf, dass der Wetteraukreis seit Jahren keinerlei Anstrengungen unternimmt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Stattdessen wird tatenlos zugesehen, wenn 40 Prozent der Sozialwohnungen abgebaut werden. „Könnten die anerkannten Geflüchteten in eine eigene, bezahlbare Wohnung umziehen, bräuchte sich der Landrat nicht über mangelnde Unterkünfte aufregen!“