Am 9. Dezember 2022 wurde in der Stadtverordnetenversammlung der Haushalt für 2023 beschlossen.
Das war die Rede der Linken:
Haushaltsrede Karben
9. Dezember 2022
Herr Fischer, sehr geehrte Damen und Herren!
Eigentlich wollte ich mit was Positivem anfangen. Eingedenk der Forderung von Herrn Beck im letzten Jahr. Das hebt ja immer die Laune und soll ja auch pädagogisch sinnvoll sein. Nur hat er mit seinen übergriffigen Gleichstellungen von Linken und AfD meine Laune verdorben.
So verschiebe ich jetzt das Positive nach hinten und ich fange mit der Pädagogik an:
Herr Beck, der – zumindest verbal – hier immer „die Demokratie“ einfordert, kann überhaupt kein bisschen Kritik vertragen. Dann wird er ausfällig. Da geht er schon gleich im Vorfeld auf die Opposition los. Ihn interessiert dann keine Demokratie mehr und auch nicht die Geschichte. Es waren meine Genossinnen und Genossen, die zu zehntausenden wegen ihres Widerstands gegen die Faschisten in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert waren und oft ihr Leben verloren. Die den entschiedensten Widerstand gegen den Faschismus geleistet haben. Linke mit der AfD gleichzusetzen ist niedrigster Populismus! Und das zeugt von überhaupt keiner demokratischen Einstellung!
Aber jetzt fangen wir mal mit dem Haushalt an. Und zuerst, wie angekündigt, mit dem Positiven:
Positiv finde ich die Investitionen in das Radwegenetz. Es werden ja einige der Vorschläge umgesetzt, die die Parteien eingebracht haben. Das kann so weitergehen! Zum Beispiel mit einem guten Vorschlag für den Radschnellweg nach Frankfurt oder der Trennung von Rad- und Fußwegen – dort, wo die Wege stark frequentiert sind.
Auch die Erstellung eines Starkregengutachtens für die Stadt ist positiv zu bewerten. Ich hoffe, dass es 2023 vorliegt und dass entsprechend sinnvolle Maßnahmen daraus abgeleitet und realisiert werden können. Wie zum Beispiel ein Starkregenschutz am Südrand von Petterweil.
Positiv finde ich auch die Renaturierungsmaßnahmen an der Nidda bei Okarben. Sie erfüllen hoffentlich umfänglich die Funktion des Hochwasserschutzes, wie das im Ausschuss S+I vorgestellt wurde.
Und die behindertengerechte Umgestaltung der Bushaltestellen ist auch ein wichtiger positiver Punkt. Jetzt fehlt zwar noch der behindertengerechte Umbau der Bahnsteige der S6 aber das ist Sache der Bahn.
Und zuletzt sehe ich den Bau neuer Windräder in Petterweil positiv. Wind ist die Energiequelle, die mit den geringsten Nebenwirkungen Strom erzeugt. Vielleicht sind Windräder nicht schön – aber ökologisch äußerst sinnvoll. Und Kohle- und Kernkraftwerke sind ja auch nicht besonders schön!
Soweit zu den Positiva.
Vorab noch: Sie haben – wie letztes Jahr auch – einen übersichtlichen Haushalt aufgestellt.
Sie bemühen sich darum, in Karben an vielen Stellen Verbesserungen zu realisieren. Das kann man Ihnen nicht absprechen.
Natürlich kann man zu Recht kritisch anmerken, dass es viel zu wenig soziale Projekte in Karben gibt. Es gibt keinen sozialen Wohnungsbau, keine Preisermäßigungen für Niedrigverdiener:innen bei Eintritten oder im Nahverkehr, die KiTa-Gebühren sind zwar gestaffelt aber niedrige Einkommen werden prozentual höher belastet als hohe Einkommen. Karben ist eine Stadt zum Leben – aber vor allem für eine gut situierte Mittelschicht.
Doch wie letztes Jahr möchte ich die grundlegende Ausrichtung der Politik in Karben ansprechen und auf eine andere Schwerpunktsetzung hinweisen.
Karben bezeichnen Sie als Stadt im Grünen. Von Seiten der CDU wurden im vergangenen Jahr sogar Karten gezeigt, die belegen sollten, dass rund um die örtliche Bebauung grüne Felder sind. Und dass es überhaupt nichts ausmacht, wenn Flächen zugebaut werden.
Dazu ist zu sagen:
Es gibt natürlich Bedarf für neue Baugebiete. Aber weil unsere Böden besonders gut und wertvoll sind, muss man eine Bebauung besonders gründlich abwägen. Sie hatten kürzlich die Karbener Bauern eingeladen und die haben ganz klar gesagt: Am meisten schadet ihnen der Landverbrauch durch Bebauung. Nur weil rund um die Stadtteile Ackerland ist, kann man es nicht einfach verbrauchen. Wenn Sie dafür ein Negativbeispiel brauchen, schauen Sie nach Bad Vilbel.
Man kann nur wiederholen: Die Bebauung mit flächenfressenden Einfamilienhäusern und geringer Verdichtung ist kein schonender Umgang mit unserer grünen Umgebung.
Karben braucht vor allem Mietwohnungen. Bezahlbare Mietwohnungen. Es reicht nicht aus, auf das Stadtzentrum zu verweisen.
Dort mögen Mietwohnungen entstehen – auch ein paar bezahlbare – aber die Nachfrage nach bezahlbaren Mietwohnungen ist viel höher als die von Ihnen geplante Anzahl im Stadtzentrum. Bezahlbarer Wohnraum ist derzeit die wichtigste soziale Frage.
Wenn in den Stadtteilen gebaut wird und wenn dort schon wertvolle Flächen verbraucht werden – wie zum Beispiel nördlich der Fuchslöcher in Petterweil – dann sollten Mietwohnungen und eine verdichtete Bebauung umgesetzt werden. Die Flächen sollten gut ausgenutzt werden.
Für eine solche flächenschonende und sozial ausgerichtete Bebauung in der Stadt Karben braucht es ein Konzept. Bebauung nach der Salamitaktik halten wir Linken für verfehlt.
Um zu einem solchen Konzept zu kommen, hatte ich ein Freiflächenkataster beantragt.
Sie haben es abgelehnt. Das ist schade.
Denn es müsste für eine umweltschonende und soziale Stadtentwicklung geklärt werden, welche Flächen in Karben zukünftig bebaut werden, wo Wohnungen und Gewerbe hinkommen und wie Freiflächen erhalten werden können.
Besonders die Freiflächen sind wichtig.
Es müssen Frischluftschneisen eingeplant werden, es braucht Hitzeschutz, Regenwasser muss versickern können.
Noch sind Freiflächen vorhanden: Entlang der Bahn neben dem Industriegebiet, im neuen Stadtzentrum Richtung Süden, entlang der Nidda – so zum Beispiel.
Es sollte festgelegt werden, wo es sinnvoll ist, sie zu erhalten und zu schützen. Und es sollte auch festgelegt werden, wo Gewerbe angesiedelt wird und wo Wohngebiete entstehen.
Und auch innerorts braucht es Platz für Grün, für soziale Kontakte und Treffpunkte.
Die Straße an der ich wohne wurde in diesem Jahr saniert. Es ist eine prima Straße geworden – leider wurde überhaupt kein Grün vorgesehen. Es hätte dazu Platz gegeben.
Aber es sind nur Parkplätze gebaut worden. Kein Baum, kein Strauch, keine Bank, keine Möglichkeit für die Anwohner, sich zu treffen. Absoluter Vorrang für das Auto!
Sie haben auch im Neubaugebiet nördlich der Fuchslöcher einen Begegnungsraum abgelehnt. Mein Antrag, den Spielplatz mitten im Ort zu einem Treffpunkt herzurichten wurde ebenfalls abgelehnt.
Das ist aber nicht nur in Petterweil so.
Ähnlich sieht es bei den Planungen in den anderen Stadtteilen aus. Dass jetzt im Stadtzentrum Sozialräume vorgesehen sind, liegt wohl dann eher an den Vorgaben des Landes, für die geförderten Projekte im Frankfurter Bogen.
In Karben leben viele Senioren. Da ist sowohl Hitzeschutz wichtig als auch Sozialräume. Treffpunkte sind gut gegen die Einsamkeit, die für immer mehr ältere Menschen – aber nicht nur für sie – ein Problem darstellt. Und natürlich ist das auch für alle anderen Menschen gut.
Es gibt zu diesem Thema inzwischen viel Literatur, Vorschläge und kommunalpolitische Schulungen. Es gibt gute Beispiel in anderen Kommunen. Vielleicht sollte man sich das mal ansehen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.