Linke interviewt Hartz IV – Empfängerinnen zum Jobcenter

Zusammenfassung der Interviews mit Leistungsberechtigten (Hartz IV)
beim Jobcenter Friedberg (Büdingen)

Die Interviews wurden von Januar bis März 2012 geführt. Befragt wurden 22 Personen (überwiegend aus dem Bereich des Jobcenters Friedberg). Aus der Fülle der berichteten Erlebnisse wurden die meistgenannten Punkte herausgefiltert.

1. Misstrauen

Es gibt große Unterschiede bei den Sachbearbeiter/inne/n.

Einige der Interviewten berichten positiv von ihrer Fallmanagerin, ihrem Fallmanager. Sie/er ist höflich und berät gut. Sie/er ist kompetent.

Die Mehrzahl der Interviewten berichtet, die Sachbearbeiter/innen seien zwar so weit höflich aber misstrauisch und ablehnend. Die Leistungsempfänger/innen fühlen sich nicht ausreichend beraten. Vieles erführen sie erst mit der Zeit und oft aus anderen Quellen.

Es gibt auch ausgesprochen negative Berichte über Sachbearbeiter/innen. Genannt werden: Unhöfliche Behandlung, offenes Misstrauen, abwertender Umgang, fehlende Beratung.

„Am schlimmsten ist das Misstrauen. Man wird wie ein Betrüger behandelt.“

Beispiele:
– Ein junger Mann bezieht ein Zimmer in der Wohnung einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Familie. Die beiden sind befreundet und wollen mit einer Wohngemeinschaft Kosten sparen. Das Jobcenter zahlt ihm keinen Mietanteil mehr aus. Dafür wird der Vermieter angerufen und befragt, ob die bisherige Mieterin mit dem neuen Untermieter in einer Beziehung leben würde.

– Der Rechtsanwalt eines Hartz IV-Empfängers wird von einem Jobcenter-Mitarbeiter in der Kneipe angesprochen und nach Informationen gefragt.

– Fraueneinrichtungen berichten: Ihren Klientinnen wird zügiger und ohne Komplikationen geholfen, wenn klar ist, dass die Mitarbeiterinnen der Einrichtung dahinter stehen (Anrufe, Begleitung).

2. An der Pforte abgewiesen

Einige Menschen berichteten, sie seien bereits an der Pforte abgewiesen worden. Das berichteten auch Mitarbeiter/innen von sozialen Organisationen.
Es werde diesen Betroffenen gesagt, ihr Anliegen habe keine Chance. Sie werden nicht an eine/n Mitarbeiter/in vermittelt, erhalten keinen Antrag oder irgendeine rechtsgültige Beratung. Es wird damit de facto ein Vorentschied getroffen ohne Rechtsgültigkeit.

3. Post und Unterlagen verschwinden

Außer einer Person berichteten alle anderen interviewten Personen davon, dass schon einmal oder mehrfach Briefe oder Unterlagen verlorengegangen seien.

Betroffene berichten:

– „Alles muss mit Zeugen erledigt werden: ob man einen Brief einwirft oder Unterlagen abgibt. Denn die Post kommt oft nicht an und im Haus Abgegebenes hat der Sachbearbeiter nicht erhalten.“

– „Briefe mit der Post schicken geht nicht. Meine Post war öfter verschwunden. Jetzt schicke ich alles nur noch per Einschreiben.“

– „Ich habe bei einer Urlaubsvertretung eine Gasrechnung der Stadtwerke abgegeben und genau gesehen, wie sie ins Fach des zuständigen Sachbearbeiters gelegt wurde. Als dann eine Mahnung der Stadtwerke kam bestritt der Sachbearbeiter, diese Rechnung erhalten zu haben. Es ging um 75 Euro. Das ist für mich sehr viel Geld, das ich nicht einfach aus meiner Grundsicherung bezahlen kann. Die Rechnung wurde erst beglichen, als mein Rechtsanwalt nachfragte.“

– „Ich habe Originalunterlagen dort gelassen. Sie wurden erst nach mehrmaligem Nachhaken und nach Wochen zurückgegeben.“

– „Meine Unterlagen waren angeblich nicht eingegangen. Ich erhielt einen Brief, darin stand: Sie arbeiten nicht mit! Dann folgte eine Sperrung. Eine Woche hatte ich kein Geld. Noch nicht mal einen Lebensmittelgutschein. Ich habe ein Kleinkind!“

4. Jobcenter-Mitarbeiter/innen vergessen etwas

Es kommt vor, dass ein/e Sachbearbeiter/in etwas vergisst. Natürlich kommt das vor, das verstehen auch die Leistungsempfänger/innen. Aber für die Betroffenen ist das keine Bagatelle.

Beispiele:

– „Der Sachbearbeiter vergaß die Überweisung meiner Grundsicherung. Meine Kinder und ich waren zwei Wochen ohne Geld. Ich rannte dem Jobcenter die Türen ein. Endlich bekam ich vorläufig einen Lebensmittelgutschein für 50 Euro, damit ich etwas zum Essen kaufen konnte.“

– „Ich bin umgezogen. In der alten Wohnung war eine Küche, doch in der neuen nicht. Ich sollte gebrauchte Küchengeräte bei der WAUS in Büdingen kaufen. Doch dort stellte sich heraus, dass die Kopfzeile auf meinem Berechtigungsschein nicht ausgefüllt war. Der Sachbearbeiter hatte es vergessen. Es war ein ziemlicher Hick Hack mit telefonieren und überreden, bis es geklappt hat. Ich habe ja kein Geld öfter von Friedberg nach Büdingen zu fahren.“

– Wenn die Zahlungen aussetzen gibt es oft keine Benachrichtigung vom Jobcenter. Es kommt einfach kein Geld. Man muss dann hinterher sein und sich selbst melden. Sonst heißt es gleich: Sie arbeiten nicht mit.“

5. Betroffene vergessen etwas oder können etwas nicht rechtzeitig abgeben

Alle Interviewten erleben eine solche Situation problematisch. Sie beschreiben es mit: stressig, schikanös, entwürdigend. Sie nehmen auch zur Kenntnis, dass sie selbst im Falle eines Fehlers mit Kürzungen bestraft werden, bei Fehlern des Jobcenters meist noch nicht mal eine Entschuldigung folgt.

Beispiele:

– „Ich hatte eine Arbeitsstelle als Aushilfe mit Minilohn gefunden. Der Arbeitseinsatz war flexibel. Die haben angerufen, wenn sie mich brauchten. Dadurch habe ich Termine beim Jobcenter nicht wahrnehmen können. Ich habe natürlich dort angerufen und abgesagt. Trotzdem wurden die Hartz IV Leistungen um 25% gekürzt. Angeblich wegen unentschuldigtem Fehlen ohne Begründung.

Ich habe die Einspruchstelle angeschrieben. Mein Rechtsanwalt hat ein Eilverfahren beantragt. Das Gericht hat nach „nur“ zwei Monaten ein Verfahren zugelassen und eine Schlichtung anberaumt. Erst dann lenkte das Jobcenter ein. Ich habe ein halbes Jahr auf das Geld gewartet.“

– „Ich hatte einen Aushilfsjob und war Aufstockerin. Der Sachbearbeiter im Lohnbüro hatte Urlaub. Der Lohn wurde zwar angewiesen, doch die Lohnabrechnung kam erst, nachdem der Mann wieder aus dem Urlaub zurück war. Ich reichte beim Jobcenter den Kontoauszug meiner Bank ein, weil ich ja noch keine Abrechnung hatte. Doch die Miete wurde mir nicht überweisen. Ich bezahlte die Miete von meinem Minilohn. Drei Wochen war ich mit den Kindern ohne Geld. Wir haben Pfandflaschen gesammelt.“

– Mein Arbeitsvertrag wurde mir vom Arbeitgeber verspätet ausgehändigt. Erst nach zwei Monaten. Was sagt der Fallmanager? Ich handele „grob fahrlässig“, weil ich zu spät abgegeben hätte. Kann er das Datum auf dem Schreiben nicht sehen? Klar habe ich immer wieder nachgefragt. Aber man kann doch einem neuen Chef nicht Druck machen und ihn bedrängen, wenn man neu ist. Es ging um 150 Euro.“

6. Zu wenig Beratung:

Die Mehrzahl der Interviewten fühlt sich nicht ausreichend beraten. Viele Informationen erhielten sie erst mit der Zeit und oft aus Quellen außerhalb des Jobcenters.

– Über die Bildungsgutscheine und das Bildungs- und Teilhabepaket wissen viele der Interviewten nicht Bescheid. Die betroffenen Familien hätten keinen Brief und keine Informationsbroschüre bekommen, die darauf verweist. Im Gespräch mit der/dem Fallmanager/in sei das Thema nicht vorgekommen. Wohin man sich wenden soll, ist unklar. Auch für wen es gilt und ab welchem Alter, ist unklar.

– Es werde nicht erklärt, wie Anschlussanträge für den Leistungsbezug zu stellen seien. Eine Frau berichtet zum Beispiel: „Mein Antrag lief im April aus. Ich stellte einen Neuen, doch für den April bekam ich kein Geld. Erst wieder im Mai. Denn der Antrag hätte vier Wochen vor Ablauf neu gestellt werden müssen. Das hat mir niemand vorher gesagt. Ich war zu der Zeit schwanger und hatte schon ein kleines Kind. Es gab keinen Gutschein für Essen. Ich könnte mir ja Geld leihen. Im Mai wurde dann wieder gezahlt aber nicht rückwirkend. Dann im Oktober dasselbe: Da hatte ich vier Wochen vor dem Ende die Fortsetzung beantragt. Doch dann hieß es, drei Monate vorher müsste der Antrag gestellt werden. Dazu gab es wieder keine Auskunft. Also hatte ich im Oktober kein Geld. Ich bin von Marburg in die Wetterau gezogen. Ich muss sagen, das Jobcenter dort hat mich besser beraten.“

7. Termine vereinbaren:

Der größte Teil der interviewten Personen sieht es als schwierig an, Termine mit Sachbearbeiter/innen zu vereinbaren. Sie geben an:

– Die Fallmanager des Jobcenters seien telefonisch sehr schlecht erreichbar. Auch wenn zu unterschiedlichen Tageszeiten telefoniert würde.

In einem Beispiel erreichte eine Frau nach vielen vergeblichen Versuchen schließlich eine Aushilfe. Diese gab die Auskunft, die Sachbearbeiterin sei in der gesamten Zeit im Haus gewesen.

– Wenn man persönlich vorspricht und einen Termin vereinbaren will, vermittelt die Pforte nicht. Es sei derzeit nur ein Mensch am Empfang, zeitweilig waren es zwei. Der Empfang sei im Umgang freundlich.

– Sagt ein/e Betroffene/r einen Termin telefonisch ab, werde dies oft nicht registriert: Es folge dann eine 25%ige Kürzung von Hartz IV – meist ohne Benachrichtigung.

– Es wird berichtet, dass es zu Schwierigkeiten bei Urlaub oder Krankheit der Sachbearbeiter kommt.

Beispiel: Es wird ein Termin vereinbart und es stellt sich am Besuchstag heraus, dass die Sachbearbeiterin in Urlaub ist. Es gibt keine Urlaubsvertretung, die den Termin wahrnimmt.

– Es gibt keine Absage, wenn jemand in Urlaub ist oder krank.

– Veränderungen in der Zuständigkeit werden nicht bekannt gegeben.

– Es gibt keine regelmäßigen oder fest vereinbarten Termine. Termine müssen nach Bedarf schriftlich oder telefonisch vereinbart werden. Besonders störend sei dies in dringenden Fällen.

8. Umzug/Miete/Umlagen

Mit Umzügen, Miete, Umlagen oder Kaution haben die interviewten Personen immer wieder Schwierigkeiten.

Beispiele:

– „Ist das überhaupt zulässig, dass man noch vor dem Mietvertrag eine Mietbescheinigung beim Jobcenter abgeben muss? Jedenfalls kann man erst dann einen Antrag auf Übernahme der Kosten für Miete und Umlagen stellen.“

– „Die Kaution wurde von meinem bisherigen Vermieter per Brief als Gutschrift angekündigt. Doch sie kam erst zwei Wochen später auf mein Konto. Die Gutschrift wurde der JobKomm gemeldet. Der Eingang der Zahlung auch. Doch die JobKomm reagierte mit Drohungen: Sie haben nicht rechtzeitig Bescheid gegeben, Sie haben ihre Mitwirkungspflicht verletzt, das ist grob fahrlässig!“

– „Die Kaution wird nur als Darlehen gegeben. Jeden Monat hatte ich 20 Euro abgestottert. Als jetzt mein nächster Umzug anstand, war die vorherige Kaution schon zwei Jahre getilgt. Ich erhielt sogar eine Benachrichtigung über den Zahlungseingang. Dennoch wollte das Jobcenter 660 Euro einbehalten. Es war ein Kampf nötig.“

– „In meiner alten Wohnung gab es Ungeziefer. Es war ein Altbau, schlechter Zustand. Ich habe ein Jahr lang eine Umzugserlaubnis beantragt. Immer wieder habe ich beim Jobcenter vorgesprochen. Erst als ein anderer Sachbearbeiter zuständig war, wurde die Umzugserlaubnis erteilt.“

– „ Als die Umlagen-Abrechnung kam, wurde diese Nachzahlung erst mal nicht übernommen. Die Begründung lautete: die Frist ist abgelaufen. Doch das Datum der Nachzahlungsforderung war ja zu lesen: das war ja erst gewesen.“

– „Man braucht einen geduldigen Vermieter. Es kommt vor, man erhält einen Bescheid, dass die Miete überwiesen wird, doch sie kommt auf dem Vermieterkonto nicht an.“

– „Jetzt kommt die Miete auf mein Konto und geht nicht mehr direkt zum Vermieter. Aber das Geld kommt nicht früher. Der Vermieter bekommt deswegen sein Geld später als zum Monatsersten.“

– „Oft findet man nur Wohnungen in den umliegenden Dörfern, die zu Friedberg gehören. Dann sind die Verkehrsverbindung schlecht und teuer.“

– „Ich habe lange nach einer preiswerten Wohnung in Bad Vilbel gesucht und nichts gefunden. Man hat mir dann gesagt: ziehen Sie doch zurück in die Rhön oder wenigstens nach Düdelsheim. Ganz früher habe ich mal in der Rhön gewohnt.“

– „Für das Geld, das vom Jobcenter für die Miete gezahlt wird, findet man ja keine Wohnung. Ich habe fünf Monate eine bezahlbare Wohnung gesucht. Die Vorgabe war: 265 Euro Maximum und 107,50 Euro Umlagen. Bei der Wohnbau kosten 30 m2 330 Euro warm. Doch da waren keine Wohnungen frei.“

– „Ein Umzug ist teuer. Es gibt ja keine Renovierungszuschüsse. Der Umzug muss selbst bezahlt werden. Nur noch bei Schwerbehinderten oder Schwangeren wir das bezahlt. Und dann hat sich das Jobcenter auch noch bei der Kaution quergestellt. Nach einigem hin und her bekam ich aber doch ein Darlehen für meine Kaution. Die ersten zwei Monate wurden mir 100 Euro von der Grundsicherung abgezogen. Dann jeden Monat 50 Euro. Es gibt einen Darlehensvertrag.“

9. Anschaffungen:

Wenn etwas kaputt geht, ist das immer ein Problem. Die Fallmanager/innen ermahnen die Betroffenen immer wieder, etwas zu sparen. Im Interview sagte ein junger Mann:

„Wie soll man von 400 Euro Hartz IV was sparen? Haben Sie schon mal versucht, mit 400 Euro über den Monat zu kommen?“

– „Unsere Waschmaschine war kaputt gegangen. Das ist bei einer Familie mit Kindern eine kleine Katastrophe. Das Jobcenter gibt zu einer neuen Waschmaschine nichts dazu. Es wird lediglich ein Darlehen gewährt, das von der Grundsicherung in Raten abgestottert werden muss. Das wollten wir nicht machen. Drei Monate verkniff sich unsere Familie alles und verschob wichtige Dinge für die Kinder auf später. Dann hatten wir das Geld zusammen, um bei einem Billiganbieter eine Waschmaschine kaufen zu können.“

– „Ich sorge mich am meisten um die Kinder. Es gibt kein Geld für eine Erstausstattung für die Schule. Zum Glück werden die Klassenfahrten bezahlt. Aber die Kinder armer  Familien geraten in der Schule oft ins Abseits: sie haben keine schicken Klamotten und Schulsachen. Die Familien sind froh, wenn sie das Nötigste kaufen können.“

10. Schikanen?

Es gibt Dinge, die werden von den Betroffenen als Schikane betrachtet. Beinahe alle Interviewten hatten schon mindestens einmal das Gefühl schikaniert zu werden.

Besonders ehrrührig empfinden einige der interviewten Personen, wenn sie mit überheblichen Sprüchen oder Witzen konfrontiert werden.

– „Seit 2006 bin ich schon arbeitslos. Fünf Mal habe ich seitdem ein Bewerbungstraining besuchen müssen. Jedes Mal erhielt ich andere Infos. Mal muss das Foto anders sein, mal soll ich anderes Papier nehmen oder das Anschreiben anders formulieren. Dann wieder braucht man eine andere Mappe. Befremdlich war für mich, dass meine Fotos retuschiert wurden. Ich wurde jünger gemacht, mein Hals wurde gestrafft. Ich sah darauf gar nicht mehr so aus, wie ich bin. Ist das nicht Betrug? Was soll ein Arbeitgeber denken, wenn ich beim Vorstellungsgespräch anders aussehe als auf dem Foto?“

– „ Meine Bewerbungen schreibe ich im Internet-Café. Das kritisierte der Fallmanager. Ich solle mir einen Computer und einen Drucker anschaffen. Um sich zu bewerben bräuchte ich einen eigenen Internetzugang, sonst könnten natürlich keine Bewerbungen erfolgreich sein. Ich fragte, von was ich das bezahlen soll. Ich müsse eben sparen, hieß es.“

– Zwei Mal wurde mir ein Vermittlungsgutschein für eine private Arbeitsvermittlung verweigert. Es hieß, die sei nicht seriös und man könne sich ja auch direkt bei der Firma bewerben. Doch die Firma hatte gerade diese Agentur beauftragt jemanden zu finden.

– „Eines Tages kam ein Brief: Warum geht in dieser Erwerbsbedarfsgemeinschaft niemand arbeiten? Es sollte baldigst eine Stelle aufgenommen werden. Das ist schon erstaunlich: In unserer Gemeinschaft lebte ich – damals schwanger – und ein Kleinkind.“

– „Wir sind nicht verheiratet und wohnen auch nicht zusammen. Für mein Kind bezahle ich Unterhalt. Ich wurde aufgefordert, Unterhalt nicht nur für das Kind sondern auch für die Mutter zu zahlen. Ich war prekär beschäftigt und konnte das nicht leisten. Mich hat das ziemlich aus der Fassung gebracht. Zum Glück kümmerte sich ein Sachbearbeiter gut.“

– „Man braucht ja einen Termin, sonst kann man nicht hingehen. Die Fallmanagerin war telefonisch nicht erreichbar. Trotz Dauertelefonterror. Endlich erreichte ich eine Aushilfe oder so etwas. Ich bekam die Auskunft, es wurden im Jobcenter Stellen gekürzt und die Mitarbeiter müssten die Arbeit mitmachen.“

– „Suchen Sie sich einen Millionär zum Heiraten, hat mir der Sachbearbeiter geraten. Darüber kann ich überhaupt nicht lachen. Das ist entwürdigend.“

– „Dann sagte man mir: Irgendwie sind Sie ja bis jetzt zurechtgekommen. Leihen Sie sich doch Geld.“

– „Dann bekommt man auch noch gute Tipps wie: Gehen Sie in einen Verein, sonst kriegen Sie Depressionen.“

11. Rückerstattung Bewerbungskosten:

Auch die Rückerstattung der Bewerbungskosten ist eine langwierige Angelegenheit und dauert.

Einige der Interviewten gaben an, sie müssten lange auf ihre Auslagen warten.

– „Fahrtkosten müssen vorab beantragt werden. Telefonieren reicht nicht, weil es dann heißt, es sei nicht gemeldet worden. Man muss die Fahrtkosten vorsichtshalber schriftlich beantragen. Bei einem kurzfristig anberaumten Bewerbungsgespräch ist das manchmal schwierig, wenn zum Beispiel der Fallmanager in Urlaub ist, man niemanden erreicht.“

– „Es ist immer ein Misstrauen da, dass man sich was erschwindelt. Es kommt aber vor, dass eine Firma anruft und kurzfristig ein Vorstellungsgespräch ist. Dann kann man das Fahrgeld nicht mehr schriftlich beantragen. Dann bleibt man auf den Kosten sitzen.“

– „Ich schreibe jeden Monat etwa fünf Bewerbungen und alle drei Monate habe ich ein Vorstellungsgespräch. Das kostet natürlich auch Geld. Das Jobcenter erstattet Bewerbungskosten. Doch das dauert ziemlich lange.“

12. Durcheinander zwischen den Behörden:

Wenn Ansprüche bei verschiedenen Stellen bestehen, gibt es immer wieder Durcheinander. Das belastet die Betroffenen sehr, denn sie können die Sache nicht einfach klären. Manchmal finden sie keinen Zuständigen. Besonders Umstellungen bei den Leistungsansprüchen sind problematisch.

– Kindergeld wird von Hartz IV voll abgezogen. Deshalb gibt es oft dann Probleme, wenn das Kindergeld noch nicht gezahlt wird, das Jobcenter aber die Zahlungen bereits eingestellt hat.

– „Dann kam eine Nachzahlung die mich rettete. Es stellte sich aber heraus: das war gar keine Nachzahlung, sondern vorgezogenes Kindergeld. Eine Gutschrift ohne Erklärung kam an. Später wurde der Betrag wieder vom Kindergeld abgezogen. Wir mussten dann von 236 Euro im Monat leben“.

– „Im Januar wurde mir Hartz IV gestrichen. Ich bekäme ja Elterngeld. Das Elterngeld wird nämlich voll auf das Hartz IV angerechnet. Das Elterngeld ist aber nicht ganz so hoch. Die Differenz kam nicht.“

– „Für das Baby wurde eine Babyerstausstattung bezahlt. Die Elterngeld- und Kindergeldstelle zog die Erstausstattung später wieder von ihren Leistungen ab.

– „Im August wurde alles beantragt: Elterngeld und Kindergeld. Dann wurde eine Nachzahlung für den September und Oktober wieder eingezogen.“

13. Beschwerden

Bei Beschwerden kann eine Clearingstelle angeschrieben oder telefonisch ein Termin ausgemacht werden. Die Interviewten sind misstrauisch: das Telefon geht meist nicht durch und man brauche dennoch einen Anwalt, der der Sache Nachdruck verleiht.