Aus der Frankfurter Neuen Presse vom 15. Oktober 2012
Im Büro der Linken Wetterau starten in Kürze Sprechstunden für Langzeitarbeitslose.
Die Linke Wetterau will Hartz-IV-Empfänger über ihre Rechte beraten. Die Sprechstunden starten voraussichtlich Ende Oktober, Anfang November.
Von Petra Ihm-Fahle,Friedberg
Werner Schulz betritt das Büro der Linken in der Friedberger Usagasse 23. Er ist kein Partei-Mitglied, engagiert sich aber in deren neuem Projekt: einer Sprechstunde für Hartz-IV-Bezieher. Für den 46-Jährigen ein Herzensanliegen, er war selber Empfänger.
Die Linke teilt sich das Büro mit der Erwerbslosen-Initiative. „Auf diese Weise bekamen wir mit, dass es mit den Beratungen im Job-Center manchmal hapert“, erzählt die Vorsitzende der Linken Wetterau, Gabi Faulhaber, der FNP. Beispiel: Bezieher bekämen mitunter nicht gesagt, Anspruch auf ein Bildungs- und Teilhabe-Paket zu haben.
„Oder dass sie sich an die Schuldnerberatung wenden können. Zum Teil fühlen sich die Leute auch schlecht behandelt, arrogant und abschätzig.“ Im Februar interviewten Parteimitglieder Betroffene. Ihre Geschichte veröffentlichten sie in ihrem monatlichen Info-Blatt. Weitere Personen meldeten sich. „Wir baten sie zu unserer Sprechstunde, berieten sie. Im Frühjahr verteilten wir unsere Broschüre vor der Jobkomm“, so Faulhaber weiter.
Unterlagen verloren
Geschäftsführer Bernhard Wiedemann sei zufällig vorbeigekommen, sagte: „Die Leute können viel erzählen. Bringen Sie doch mal welche mit.“ Gesagt, getan. Bei dem Besuch erzählte der Geschäftsführer Beispiele, wo Antragsteller ihre Bringschuld nicht erfüllt hätten.
„Die Betroffenen schilderten ihm Vorkommnisse aus ihrer Sicht.“ Einige Punkte: Eingereichte Unterlagen gingen verloren, Mitarbeiter seien schwer zu erreichen, Sachbearbeiter wechselten oft, es erfolgten finanzielle Sanktionen wegen „Kleinigkeiten“.
Problem, so Faulhaber: Es gebe zwar sehr gut qualifizierte Sachbearbeiter – aber auch weniger gut qualifizierte. Manche sind Beamte, die vorher bei Telekom und Post arbeiteten und nun im Job-Center eingesetzt werden. „Dagegen habe ich nichts, aber sie müssen geschult werden.“ Ein Crashkurs reiche nicht.
Anfang September wurde zudem die Clearing-Stelle im Job-Center Wetterau aufgelöst. „Eine eindeutige Verschlechterung.“ Hilfesuchende sollen Unklarheiten und Strittiges nun mit den zuständigen Sachbearbeitern lösen. Die Möglichkeit, deren Entscheidungen überprüfen zu lassen, entfalle.
Erfolg durch Klage
Die Linke stellte kürzlich einen Antrag im Kreistag, er wurde in den Ausschuss für Jugend, Soziales und Gesundheit verwiesen. Ziel ist, die Kritik im Beirat des Job-Centers anzusprechen. Faulhaber macht sich keine Hoffnungen: „Ich gehe davon aus, dass der Kreistag unseren Antrag ablehnt.“ Noch ist er im Ausschuss, in der jüngsten Kreistagssitzung vergangene Woche wurde er deswegen nicht behandelt.
Mit ihren Sprechstunden wollen die Linken Betroffenen helfen. Werner Schulz dürfte der richtige Mann sein: Kennt sich aus, kann eine Menge erzählen. Er ist im Internet-Netzwerk „Wer kennt wen“ aktiv, wo es Hartz-IV-Seiten gibt. „Im Forum kenne ich Frauen, die zittern, wenn sie eine Einladung von der Jobkomm bekommen.“
Wie schwierig es manchmal ist, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, erfuhr der ehemalige Lagerist am eigenen Leib. Lang bezog er Hartz IV, mittlerweile hat er Berufsunfähigkeitsrente. Ein Anspruch, den er erst beim dritten Antrag durchsetzte – auf dem Klageweg. Mit Ein-Euro-Jobs habe er ebenfalls unnötigen Ärger gehabt. Zu 70 Prozent schwerbehindert ist er, sollte aber putzen und einen Park säubern. Schulz wehrte sich und war erfolgreich. An seinem Wissen will er andere teilhaben lassen.
Die Beratungen werden im Büro der Linken organisiert, der Turnus steht noch nicht fest. Ab Ende Oktober, Anfang November ist es voraussichtlich soweit. Vorher lassen sich die Mitwirkenden durch den Verein Tacheles-Sozialhilfe noch zum Thema schulen.