Die Fraktion DIE LINKE. stellt zur Kreistagssitzung am 30. Oktober 2024 folgenden Antrag:
Bezahlkarte für Geflüchtete
Der Kreistag fordert den Kreisausschuss auf, die Leistungsstellen (FD Migration und Leistung, Sozialamt etc.) anzuweisen:
1. Die Bezahlkarte nicht auf Bestands-Leistungsberechtigte auszuweiten und – wo möglich – bei dem System der Leistungsgewährung in Form einer Überweisung auf das Girokonto (oder einer Bargeld-Aushändigung) zu bleiben
2. Bei sog. „Analogleistungsempfängern“, also denjenigen Leistungsberechtigten, die nach 36 Monaten einen Anspruch auf Leistungen analog SGB II erwerben (Leistungen, die in Art und Höhe denen der Sozialhilfe entsprechen – § 2 Abs. 1 AsylbLG), keine Bezahlkarte anzuwenden.
3. Das pflichtgemäß in jedem Einzelfall auszuübende Ermessen hinsichtlich eines Bargeldbetrages grundsätzlich weit auszulegen.
4. Im Falle von Erwerbstätigkeit und bei ergänzendem Leistungsbezug (sog. „Aufstocker“) das Jobcenter aufzufordern, die Aufstockungsleistungen nicht über die Bezahlkarte abzuwickeln.
Der Kreisausschuss möge zudem
– den durch die Einführung und Verwaltung der Bezahlkarte erforderlichen Personalmehrbedarf und die damit zusammenhängenden Sachkosten erfassen und über den Hessischen Landkreistag an die Landesregierung zurückmelden – verbunden mit der Forderung, für die so entstandenen Kosten aufzukommen und somit das Konnexitätsprinzip einzuhalten.
– über den hessischen Landkreistag für eine Abschaffung der Bezahlkarte als Instrument für die Leistungsgewährung eintreten.
Begründung:
Laut einer Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales vom 6. November 2024 soll die Bezahlkarte für Geflüchtete bereits ab Dezember 2024 in Hessen zum Einsatz kommen.
Sie soll im ersten Schritt an neu eingereiste Leistungsberechtigte in den Erstaufnahme-einrichtungen ausgegeben werden. Spätestens Ende März soll das Bezahlkartensystem auch in den Kreisen/Kommunen an den Start gehen.
Bereits im Juni hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz unter Vorsitz von Boris Rhein auf eine gemeinsame Bargeldobergrenze von 50 € verständigt.
Obwohl es mittlerweile eine Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit einer pauschalen Bargeldobergrenze gibt, hält die Landesregierung an ihrer populistischen Maßnahme fest und wälzt die damit verbundene Arbeit, nämlich pflichtgemäß in jedem Einzelfall Ermessen auszuüben, auf die sowieso schon überlasteten Kreise/Kommunen ab.
Und diese haben keine Wahl. Die Bezahlkarte wird auf dem Wege einer Weisung für die Kreise/Kommunen verpflichtend. Auch wenn die Sozialministerin suggeriert, dass die damit verbundenen Kosten vom Land getragen werden, ist dies nur die halbe Wahrheit.
Die Personalkosten, die angesichts des mit der Bezahlkarte verbundenen Mehr-aufwands vermutlich steigen werden, tragen die Kreise/Kommunen selbst.
Zudem ist damit zu rechnen, dass Betroffene gegen die Verhängung der Bezahlkarte und die damit verbundenen Beschränkungen klagen werden. Auch die Klagen richten sich an die Kreise/Kommunen und werden dort Ressourcen binden.
Zudem trägt die Bezahlkarte als diskriminierendes Instrument weiter zur Spaltung der Gesellschaft bei, während es keines der angeblichen Probleme löst, die sie bekämpfen
soll. Die Behauptung, Schutzsuchende würden durch ihre Leistungen Schlepper finanzieren, ist nicht belegt. Im Gegenteil: Die Pull-Effekte, die das angeblich zu hohe Sozialleistungsniveau in Deutschland erzeugt, sind wissenschaftlich widerlegt.
Überweisungen an Familien und Verwandte im Heimatland sind alleine schon deshalb vernachlässigbar, weil die Höhe der Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz das Existenzminimum unterschreitet.
Die Bezahlkarte wird somit nur mehr Ausgrenzung und Schikane für die Betroffenen bedeuten. Auf Seiten der Verwaltung wird ein enormer Mehraufwand produziert. Und das alles, ohne die erhofften Effekte.
Die Bezahlkarte ist Wasser auf die Mühlen der politischen Rechten, die sich erneut mit ihren Forderungen durchgesetzt haben und dies zum Anlass nehmen werden, noch viel weitergehende Entrechtungen salonfähig zu machen – und das nicht nur gegen Geflüchtete, sondern absehbar auch gegen die ärmere Bevölkerung insgesamt.