Änderungsantrag zum Klimaschutzkonzept des Wetteraukreises: Klimaschutz sozial!

Weil die regulären Anträge der Fraktion DIE LINKE. im Ausschuss RUW (Regionalentwicklung, Umwelt und Wirtschaft) von der Koalition abgelehnt und nicht für die Kreistagssitzung zugelassen wurden, mussten wir diesen Änderungsantrag stellen. Sonst würden soziale Fragen beim Klimaschutz in der Kreistagsdebatte am 20. Juli 2022 überhaupt keine Rolle spielen.

 

Die Fraktion DIE LINKE. stellt zur Kreistagssitzung am 20. Juli 2022 folgenden Änderungsantrag den Tagesordnungspunkt 6 „Anpassung der Klimaschutzziele des Wetteraukreises“ betreffend:

Das Klimaschutzkonzept 2020 des Wetteraukreises wird mit sozialen Zielen wie folgt ergänzt:

Der Wetteraukreis verbindet Klimaschutz mit sozialen Maßnahmen.
a) Der Wetteraukreis trifft Absprachen mit der OVAG zu Sozialtarifen für Strom.
b) Der Wetteraukreis spricht mit der OVAG, wie eine Energieberatung etabliert werden kann für Verbraucher:innen mit überdurchschnittlichem Stromverbrauch.
c) Der Wetteraukreis initiiert Absprachen mit der OVAG, dem Wetteraukreis/Soziale Hilfen und dem Jobcenter, wie die Ersatzbeschaffung bei kaputten Weißwaren (Kühlschrank, Waschmaschine) mit energieeffizienten Geräten finanziell unterstützt werden kann.
d) Der Wetteraukreis wirbt bei den ortsansässigen Betrieben für die Einführung eines Jobtickets und unterstützt ggf. bei Absprachen mit vgo und RMV.
e) Der Wetteraukreises trifft Absprachen mit der vgo und dem RMV über die Einführung von Sozialtickets im ÖPNV für Sozialleistungsbeziehende.
f) Das Bauamt des Wetteraukreises informiert bei Bauanträgen über Vorgaben zum Klimaschutz und über mögliche Fördermöglichkeiten, wenn von den Bauherr:innen klimafreundliche Baumaßnahmen geplant sind .
g) Der Wetteraukreis startet noch in 2022 eine Informationskampagne über Wärmedämmung und Sanierung von Heizungsanlagen von Wohngebäuden und unterstützt beratend bei der Beantragung möglicher Zuschüsse.

Begründung

Klimaschutzmaßnahmen wirken sich auf die Verbraucherpreise aus.
Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 2022 zeigt, dass der Anteil der von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe steigt. Deutschlandweit erreichte die Armutsquote mit 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand. In Hessen stieg die Armutsquote überdurchschnittlich auf 18,3 Prozent!
13,8 Millionen Menschen müssen demnach in Deutschland derzeit zu den Armen gerechnet werden – 600.000 mehr als vor der Pandemie.
Im aktuellen Armutsbericht wird festgestellt, dass das soziodemografische Risikoprofil im Wesentlichen das der Vorjahre bleibt: Nach wie vor zeigen Haushalte mit drei und mehr Kindern (31,6 Prozent) sowie Alleinerziehende (41,6 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Nicht Erwerbstätige und Personen mit niedrigem Bildungsniveau sind ebenfalls stark überproportional von Armut betroffen.
Das gleiche gilt für Menschen mit Migrationshintergrund (28,1 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,3 Prozent). Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat mit 20,8 Prozent eine neue traurige Rekordmarke erreicht. Gleiches gilt für ältere Menschen (17,4 Prozent) und Rentner*innen (17,9 Prozent), darunter vor allem Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich.

Diese Haushalte sind stark betroffen, wenn Energiepreise steigen. Insbesondere auch deshalb, weil sie meist nur alte, nicht energieeffiziente Elektrogeräte benutzen und sich im Ersatzfall meist nur gebrauchte ältere Modelle wieder beschaffen können. Der Stromverbrauch ist in diesen Haushalten deshalb verhältnismäßig hoch.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2014 festgestellt, dass die Regelbedarfe in einer Höhe bemessen sind, die kurz vor der Verfassungswidrigkeit liegen. Das Gericht hat außerdem vorgegeben, eine Anspruchslage für Weißwaren, Brillen und allgemein für einmalige Bedarfe zu schaffen. Dem ist die Bundesregierung nun nach sieben Jahren nachgekommen und hat so genannte „besondere Bedarfe“ eingeführt – die leider von der Bundesagentur für Arbeit durch interne Anweisungen vollständig ignoriert werden.
Im derzeitigen Regelbedarf wird ein Betrag von knapp 2 Euro monatlich für die Anschaffung eines Kühlschranks oder einer Waschmaschine vorgesehen. Kostet ein solches Gerät 100 Euro (was nur bei gebrauchten Geräten möglich ist), muss immerhin mehr als 4 Jahre angespart werden. Ein neues energieeffizientes Gerät ist damit kaum erschwinglich. Aus Klimaschutzgründen halten wir aber eine energieeffiziente Ersatzbeschaffung für veraltete kaputte Geräte für unvermeidbar.

Eine große Hilfe wäre zudem, wenn die Nebenkosten der Wohnungen nicht stetig ansteigen würden. Wohnungen im unteren Preissegment sind oft nicht gut gedämmt und schlecht zu heizen. Wärmedämmung und effektive Heizungsanlagen sind nicht nur ökologisch sinnvoll – sie senken auch die Nebenkosten der Mieter:innen.

Ebenso belasten steigende Mobilitätskosten arme Haushalte besonders stark.
Im Regelsatz sind 40,27 Euro monatlich für Verkehr enthalten. Schon von Bad Nauheim bis Friedberg kostet eine Monatskarte für Erwachsene 74,80 Euro. Wer von Nidda anreist bezahlt 144,60 Euro. Und günstigere Jahreskarten können mit diesem Budget auch nicht vorfinanziert werden. Das 9 Euro-Ticket war eine sinnvolle Maßnahme sowohl im Sinne des Klimaschutzes als auch sozialpolitisch. Initiativen zur bezahlbaren und umweltfreundlichen Mobilität kommen zukünftig große Bedeutung zu.

Umwelt- und Klimaschutz darf einkommensschwache Haushalte nicht in besonderem Maße belasten. Eine Klimawende ohne soziale Maßnahmen ist für das arme Fünftel der Bevölkerung nicht leistbar.

Wir bitten um die Zustimmung zu diesem Änderungsantrag.