An den Stadtverordnetenvorsteher der Stadtverordnetenversammlung Friedberg Hessen
Sehr geehrter Herr Hollender!
Wir bitten darum den folgenden Antrag zur nächsten Stadtverordnetenversammlung zu behandeln.
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
1. Der Magistrat wird mit der Erstellung einer Stadtumbausatzung nach § 171a BauGB beauftragt. Das
festzulegende Stadtumbaugebiet soll die Kaiserstraße von der Ockstädter Straße bis zur Burg umfassen.
Es sollen die folgenden Zielsetzungen verfolgt werden:
• Die Strukturen sollen der Entwicklung der Bevölkerung (Wohnen) und der Wirtschaft (Einzelhandel
und Dienstleistung) unter Berücksichtigung des Klimaschutzes angepasst werden.
• Die Wohn- und Arbeitsverhältnisse sollen verbessert werden.
• Der innerstädtische Bereich soll so gestärkt werden.
Die Satzung soll der Stadtverordnetenversammlung im Januar 2021 vorliegen.
2. Zur Steuerung der notwendigen Maßnahmen erstellt der Magistrat eine städtebaulisches
Entwicklungskonzept
• Es ist so festzulegen, dass es sowohl private, wie auch öffentliche Belange für eine nachhaltige
Entwicklung der Innenstadt berücksichtigt.
• Es umfasst räumliche und sachliche Aspekte, die für den Stadtumbau insgesamt, also in
Wechselwirkung über das festgelegte Gebiet hinaus, entsprechend der genannten Zielsetzung,
wichtig sind.
• Es ist unter einer umfassenden Mitwirkung aller Beteiligten zu erstellen und umzusetzen. Es sind
Beteiligungsregelungen zu treffen, um die divergierenden Interessen der Akteure auszugleichen.
• Ein Mobilitätskonzept für die Kaiserstraße unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gesamtstadt
ist zu erstellen.
• In einer Präventivplanung sind auch zu erwartende Schrumpfungsprozesse zu berücksichtigen.
• Alle Beteiligten sind rechtzeitig und schon bei der Erstellung zu berücksichtigen
• Das vorläufige Konzept ist der Stadtverordnetenversammlung bis zur Sommerpause 2021
vorzulegen. Für die Gesamtmaßnahme ein Zeithorizont von maximal 10 Jahren vorzusehen.
• Das Konzept soll mit Zwischenzielen versehen werden
• Es sollen insbesondere Lösungen für den Umbau der Kaiserstraße als Wohn- und Einkaufsstraße
erarbeitet werden
3. Es wird ein Bürgerrat eingerichtet. Dieser besteht aus 15 Personen aus der Bevölkerung und wird über
ein Losverfahren bestimmt. Der Bürgerrat ist insbesondere für die Koordinierung der Maßnahmen
zwischen Magistrat und Beteiligten zuständig und berichtet quartalsweise an de
Stadtverordnetenversammlung.
4. Zur Sicherung der Umsetzung beschlossener Maßnahmen hat der Magistrat städtebauliche Verträge mit den Beteiligten/Eigentümern abzuschließen. Die §§ 176 bis 179 des BauGB sind entsprechend
anzuwenden.
5. Baugenehmigungen im abgegrenzten Gebiet sind nur im Einvernehmen mit der Stadt möglich. Der
Magistrat hat dazu das Einvernehmen mit dem Bauausschuss herzustellen. Der Bürgerrat ist
anzuhören.
Begründung:
Die Innenstädte als klassische „Einkaufsmeilen“ sind schneller werdenden Veränderungen unterworfen.
Die zunehmende Digitalisierung, der rapide Ausbau des Online-Handels macht dabei insbesondere dem
klassischen stationären Einzelhandel zu schaffen. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung nur noch
verstärkt. Die Anteile des stationären Einzelhandels sind immer weiter rückläufig, der Online-Handel
wächst.
Eine Entwicklung, die auch vor Friedberg nicht halt macht.
Der Einzelhandel versucht mit neuen Formaten oder Konzepten gegenzusteuern, verliert dabei aber
zusehends. Es entsteht ein Flächenüberhang in den Innenstädten, mit unübersehbaren, teils jahrelangen
Leerständen. Eine Entwicklung, die in Friedberg längst begonnen hat.
Durch den damit einhergehenden Verlust an Vielfalt und Attraktivität entsteht letztlich eine Sogwirkung, eine sich selbstverstärkende Abwärtsspirale ist in Gang gesetzt. Die Verödung unserer Innenstadt ist die Folge.
Dies zu erkennen ist eine Sache, abgestimmt zu handeln ist eine andere. Die vorgeschlagene Satzung zum Stadtumbau ist ein Versuch ein solches abgestimmtes Handeln zu ermöglichen.
Gleichzeitig gilt es, die notwendigen Transformationsprozesse nachhaltig und sozial zu gestalten.
Bei einer nachhaltigen Stadtentwicklung geht es um einen fairen Ausgleich zwischen aktuellen und
längerfristigen städtischen Lebensbedingungen, unter Berücksichtigung der sozialen, der wirtschaftlichen und der ökologischen Erfordernisse aller Teilnehmer. Alle Menschen, die unsere Stadt „nutzen“, müssen
Berücksichtigung finden. Wohnende, Beschäftigte, Besucher, aber auch alle, die eine Stadt mit gestalten,
seien es Kulturschaffende, politisch Interessierte oder sozial Engagierte. Verantwortliche Stadtentwicklung
sollte sich dabei nicht alleine auf die Bedürfnisse der jetzigen Generation konzentrieren. Es sollten
Diskussionen über die Zukunft der Stadt angestoßen werden.
Unabdingbare Voraussetzung einer nachhaltigen Entwicklung ist die Berücksichtigung und die Verbesserung
der Lebensbedingungen aller Menschen, die die Stadt nutzen.
Wenn, wie zu erwarten, der stationäre Einzelhandel immer weniger Fläche braucht, könnten Wohnungen
entstehen.
Gemischt genutzte Strukturen bieten die Möglichkeit, die alltäglichen Dinge in relativ kurzer Zeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen. Dazu muss die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten verbessert werden.
Wohnen, Handel, Dienstleistung bringen mehr Frequenz und damit Leben in die Innenstadt. Gleichzeitig
verbessert dies die Klimabilanz durch Reduzierung der Wege, die mit „Verbrennern“ gemacht werden
müssen.
Eine stadtverträgliche Mobilitätssteuerung ist dabei ein Haupthandlungsfeld. Eine Strategie, die von der
Konrad-Adenauer-Stiftung schon vor Jahren als solche empfohlen wurde.
Zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität gehört auch die Gestaltung der Straßenräume. Mehr Raum für
Fußgänger und Radfahrer, mehr Platz für Maßnahmen im öffentlichen Raum sind nur möglich, wenn jetzt mit einem koordinierten Stadtumbau begonnen wird.
Mehr Platz für Wohnen wird dabei auch zur sozialen Stabilisierung der Stadt sorgen.
Letztlich ist es auch ein Versuch, die Bürger*innen über einen Bürgerrat mehr in die Kommunalpolitik
einzubinden. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich die Beteiligten bei den notwendigen
Transformationsprozessen hinreichend beteiligt fühlen.
Weitere Begründung erfolgt mündlich
Sven Weiberg
Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. in der Stadtverordnetenversammlung Friedberg