Antrag zum Haushalt 2024: Wohnkostenlücke schließen!

Die Fraktion DIE LINKE. stellt zur Kreistagssitzung am 8. Mai 2024 den folgenden Änderungsantrag zum Haushalt 2024:

Der Kreistag möge beschließen:

Der Haushaltsansatz für die Kosten der Unterkunft (KdU) wird auf dem Niveau von 2023 belassen. Die im HH 2024 ausgewiesene Kürzung der KdU in Höhe von 7.275.000 Euro wird nicht vorgenommen. Das Geld wird dringend dafür gebraucht, dass auch einkommensschwache und hilfsbedürftige Haushalte eine Wohnung finden und bezahlen können.
(THH 05006 „Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II“; Kto.: 7270101)

Begründung:

Allgemein:
Warum muss ein besonderes Augenmerk auf die Mietpreise gerichtet werden?
In Deutschland wohnen 53% (Statistisches Bundesamt 2022) der Haushalte zur Miete.
Im Juni 2023 legte der Mieterbund eine Studie vor, die eindeutig zeigt: Je niedriger das Einkommen, umso höher der Anteil der Miethaushalte. Der Anteil der Menschen, die Hilfe nach SGB II in Anspruch nehmen müssen, wohnen also weit öfter in Mietwohnungen und der Prozentsatz übersteigt dadurch die durchschnittlichen 53% sehr deutlich.
2013 war jeder dritte Haushalt bei den Wohnkosten überlastet. Das bedeutet, es müssen mehr als 30% des Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufgewendet werden. Mehr als drei Millionen Haushalte zahlen für Kaltmiete und Heizkosten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens. Bei weiteren rund 4,3 Millionen Haushalten machen diese Kosten zwischen 30 und 40 Prozent des Einkommens aus. In der Gruppe, die am geringsten verdient, nämlich inzwischen mehr als 14 Millionen Menschen, sind es sogar fast zwei Drittel der Haushalte, die oft deutlich mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für Miete und Wärme bezahlen müssen.

Zudem stellte eine Studie des Ökoinstituts fest, dass sich seit 2021/2022 die Belastung durch Wärmekosten in den unteren Einkommensgruppen beinahe verdoppelt hat. Bei Gas lag die durchschnittliche Preissteigerung bei über 75%, bei Öl sogar bei über 102%. Dazu muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass die unteren Einkommensschichten überdurchschnittlich oft in alten und/oder unsanierten, ungedämmten Wohnungen mit fossilen Heizquellen leben müssen, weil sie sich nur diese Wohnungen leisten können.

Wie hoch die Miete und die Heizkosten bei SGB II und SGB XII sein dürfen, wird kommunal festgelegt. Für dieses Berechnungsverfahren der Wohnkosten („Kosten der Unterkunft und Heizung“, KdU-H) gibt es nur sehr allgemeine gesetzliche Vorgaben, deshalb war das Problem lange Zeit ein Dauerbrenner an Sozialgerichten. Es ist auch jetzt noch nicht gelöst, stattdessen werden rechtliche Unklarheit und kommunale Engpässe oft auf dem Rücken von Hilfebedürftigen ausgetragen. Schon aus Spargründen setzen Kommunen keine zu hohen Werte fest, und Bürgergeldbezieher:innen und Sozialleistungsberechtigte klagen dagegen in der Regel nicht, weil sie die Kosten fürchten. Ein formal nach den Ausführungsbestimmungen korrekt aufgebautes Schlüssiges Konzept hat noch lange keine Aussagekraft über die korrekte Berechnung der Marktpreise bei den Mieten in seinem Wirkungsfeld.

Den Haushalt 2024 betreffend:

1)
Die Fallzahlen steigen von 7986 Bedarfsgemeinschaften (BG) in 2023 auf 8230 BG in 2024. Das sind 244 BG mehr. Damit fallen auch mehr Kosten der Unterkunft an.
2)
Die Mietpreise im Rhein-Main-Gebiet sind im Vergleich zum Jahr 2023 um 5,9% gestiegen. Diese Preissteigerung trifft zumindest auch für den Westkreis der Wetterau zu.
Laut statistischem Bundesamt (Berechnungen zum Wohngeldgesetz) liegen die durchschnittlichen Mieten bei 8,30 Euro m² in Kommunen unter 20.000 Einwohnern und bei 9,20 Euro m² bei Kommunen über 20.000 Einwohnern.
So wird bereits deutlich, dass in den Wetterauer Kommunen über 20.000 EIW (Bad Nauheim, Bad Vilbel, Friedberg, Büdingen, Butzbach und Karben) keine ausreichenden Mietobergrenzen gezahlt werden. (Das ist aber auch in den kleineren Kommunen der Fall, die wir hier mal vernachlässigen. Was ganz sicher nicht heißt, dass hier keine Anpassungen nötig sind!)
In Karben und Bad Vilbel stimmen die Berechnungen der MOG zumindest bei den Ein- und Zweipersonen-Haushalten und liegen bei den größeren Haushalten „nur“ um maximal 0,89 Euro m² unter den statistischen 9,20 Euro. (Andernfalls ließe sich dort auch gar keine Wohnung mehr finden! Laut „wohngeld.org liegen die durchschnittlichen m²-Preise in Bad Vilbel sogar bei über 13 Euro.)
In Bad Nauheim und Friedberg wurden die MOG im Vergleich zu 2022 sogar gesenkt. Die statistischen Mietpreise pro m² liegen bei allen Haushalten über den berechneten MOG:
Bei 1-Personen-Haushalten nur 0,10 Euro. Bei größeren Haushalten bis zu 2,30 Euro m².
In Butzbach sind die MOG bei allen Haushalten niedriger berechnet, bis zu 2,39 Euro m².
Büdingen ist deutlich abgehängt und bildet mit bis zu 2,84 Euro m² Unterdeckung das Schlusslicht.

3)
Die Mietstufen für Wohngeld 2024 zeigen ebenfalls, dass die MOG im Wetteraukreis die Kaltmieten nicht angemessen berechnen.
Dort werden Altenstadt, Büdingen und Nidda mit Mietstufe 2 angegeben.
Was bedeutet, dass z. B. ein 3-Personen-Haushalt einen Mietzuschuss von 564 Euro statt der Wetterauer MOG erhalten müsste. (Vergl.: MOG Altenstadt/3P = 485 Euro; MOG Büdingen/3P = 485 Euro; MOG Nidda/3P = 500 Euro. Ein 3-Personen-Haushalt in Büdingen oder Altenstadt ist also mit 79 Euro monatlich unterdeckt.)
Butzbach hat Mietstufe 3. Das heißt, ein 3-Personen-Haushalt müsste einen Mietzuschuss von 631 Euro statt der Wetterauer MOG erhalten. (Butzbach MOG 3-Personen-Haushalt = 525 Euro.)
Friedberg, Karben, Rosbach haben Mietstufe 4 und das entspricht 708 Euro monatlich für einen 3-Personen-Haushalt statt der Wetterauer MOG. (Friedberg MOG 3-Personen-Haushalt = 595 Euro; Karben MOG 3-Personen-Haushalt = 675 Euro; Rosbach MOG 3-Personen-Haushalt = 595 Euro. – Friedberg und Rosbach sind also113 Eurounterdeckt !!)
In Bad Nauheim gilt Mietstufe 5, was bei einem 3-Personen-Haushalt 778 Euro entspricht. (MOG Wetteraukreis für Bad Nauheim = 595 Euro. Unterdeckung im Vergleich zu den MOG = 173Euro monatlich!)
In Bad Vilbel gilt Mietstufe 6 und das wären für einen 3-Personen-Haushalt 853 Euro monatlich. (MOG Wetteraukreis für Bad Vilbel = 675 Euro. Unterdeckung im Vergleich zu den MOG = 178Euro monatlich!)

Zur Beachtung: Das gilt nur für die untersten Einkommen. Denn das Wohngeld staffelt sich nach Einkommen. Doch genau für die erwerbslose „Kundschaft“ beim Jobcenter oder Sozialamt sind die obigen Berechnungen zutreffend. Von den Bürgergeldbeziehern arbeiten mehr als 70%. Dann würde entsprechend dem Einkommen gekürzt.

4)
Mit Drucksachennummer20/9447 hat der Bundestag am 15. 11. 2023 eine kleine Anfrage der Linken beantwortet. Dort geht es erneut um die Unterdeckung bei den Kosten der Unterkunft.
Auch beim Bürgergeld bestehen noch immer erhebliche Differenzen zwischen tatsächlichen KdU und vom Jobcenter und Sozialamt des Wetteraukreises anerkannten KdU. Und wie in den vergangenen Jahren betrifft diese Unterdeckung besonders Familien mit Kindern und Alleinerziehende.
Der Wetteraukreis liegt bei der Unterdeckungsquote zumeist über dem Bundesdurchschnitt der Unterdeckung (…der ja auch schon viel zu hoch ist).

Die Bundesregierung veröffentlichte im Oktober 2023 für das Jahr 2022 folgende Zahlen für den Wetteraukreis:

Bedarfsgemeinschaften insgesamt: 7.352
– Davon mit der Unterkunftsart Miete: 6.484
– Davon BGs mit anerkannten KdU: 6.481
BGs mit einer Differenz zwischen tatsächlicher KdU und anerkannter KdU: 984 – das sind 15,3 Prozent der BGs.
Die BGs mit Unterdeckung müssen im Durchschnitt monatlich 124,87 Euro aus der Grundsicherung – das sind 22,1 Prozent – für Miete aufbringen .
Der Wetteraukreis hat eine größere Unterdeckung bei den KdU als das Land Hessen im Durchschnitt aufweist – 13,6% = 105,66 Euro. Auch die durchschnittliche Unterdeckung im ganzen Bundesgebiet ist niedriger als im Wetteraukreis – 21% = 101 Euro.
Durch diese Unterdeckung spart der Wetteraukreis insgesamt 1.474.984 Euro ein.
(Zu 67,2% refinanziert der Bund die Wetterauer Kosten der Unterkunft in Höhe von 60 Millionen Euro – also gibt der Bund 40.320.000 Euro und der Wetteraukreis trägt 19.680.000 Euro.)

Bedarfsgemeinschaften mit Kindern: 2.697
Davon mit der Unterkunftsart Miete: 2.489
Davon BGs mit anerkannten KdU: 6.489.
BGs mit einer Differenz zwischen tatsächlicher KdU und anerkannter KdU: 520 – das sind 20,9 Prozent der BGs.
Die BGs mit Unterdeckung müssen im Durchschnitt monatlich 145,53 Euro aus der Grundsicherung – das sind 16,9 Prozent – für Miete aufbringen.

Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehende und ihre Kinder: 1.465
Davon mit der Unterkunftsart Miete: 1.324
Davon BGs mit anerkannten KdU: 1.323.
BGs mit einer Differenz zwischen tatsächlicher KdU und anerkannter KdU: 282 – das sind 21,3 Prozent der BGs.
BGs mit Unterdeckung müssen im Durchschnitt monatlich 138,39 Euro – das sind 17,3% – aus der Grundsicherung für Miete aufbringen.

Fazit: Die Deckungslücke bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und Alleinerziehenden hat sich mir den MOG vom 1. 1. 2024 zwar etwas verringert. Dennoch ist gerade bei Haushalten mit Kindern die Unterdeckung am größten und die Haushalte müssen eine beträchtliche Summe aus der Grundsicherung beisteuern. Das Kindergeld kann dafür nicht verwendet werden, weil bei Leistungsempfänger:innen von SGB II das Kindergeld mit den Jobcenterleistungen verrechnet wird – es steht damit den Haushalten nicht zur Verfügung.

Eine Kürzung in Höhe von 7.275.000 Euro ist Anbetracht der sozialen Schieflage auf dem Wohnungsmarkt und der großen Kinderarmut nicht angebracht!