Anzeige gegen den Direktor der psychiatrischen Klinik der Uni Marburg/Gießen

29. März 2016

Dringlichkeitsantrag der Grünen: Rücknahme der Strafanzeige gegen den

Direktor der Psychiatrie der Universitätsklinik Marburg/Gießen

Aus aktuellem Anlass haben die Grünen diesen Antrag gestellt.
Was war geschehen? Wir zitieren eine Presseerklärung der Kreistagsfraktion DIE LINKE. / Piraten vom 20. März 2017:

 

Wetteraukreis schießt mit ganz großen Kanonen Bellen getroffene Hunde?

Das ist skandalös – und zwar in jeder Hinsicht!“ So kommentiert Gabi Faulhaber, Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. / Piraten im Wetterauer Kreistag die Ereignisse um die Abschiebung eines psychisch kranken Rom durch das Ausländeramt des Wetteraukreises.

Der erste Skandal ist, dass der schwer traumatisierte Mann unter einem Vorwand ins Ausländeramt des Wetteraukreises gelockt wurde, um dort verhaftet und abgeschoben zu werden. Sein persönliches Vorsprechen wurde verlangt, angeblich, um die Kosten für den Klinikaufenthalt zu klären. Der Wetteraukreis behauptete nun, der Rom habe freiwillig vorgesprochen. Dass der psychisch Kranke nur in Begleitung einer Sozialarbeiterin anreisen konnte und sein Krankheitszustand von seinen Ärzten kritisch beurteilt wurde, verschweigt der Wetteraukreis in seinen Presseverlautbarungen. Die Behauptung, die Behandlung des schwer traumatisierten Mannes hätte genauso gut im Kosovo stattfinden können, ist geradezu bizarr!

Der zweite Skandal ist, dass gegen den Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Gießen/Marburg vom Wetteraukreis nun Strafanzeige gestellt wurde, nachdem er öffentlich deutlich gemacht hat, dass er das Vorgehen des hiesigen Ausländeramts missbilligt. Dem Mediziner wird vorgeworfen, er habe Details zum Gesundheitszustand des Kranken verlautbaren lassen. Das ist perfide! Dieser Versuch, den Arzt zu kriminalisieren, um von der eigenen inhumanen Abschiebepraxis abzulenken, ist mehr als durchsichtig. Man will ganz offensichtlich kritische Stimmen einschüchtern.“

DIE LINKE. Kreistagsfraktion verurteilt diese Strafanzeige gegen den Mediziner auf das Schärfste!

Dieses Vorgehen der Ausländerbehörde stellt einen Tabubruch dar. Einen kranken Menschen aus einer Klinik herauszulocken, um ihn abzuschieben, ist ebenso inhuman, wie es im November 2016 die Abschiebung einer serbischen Romni war. Die Schülerin war damals aus dem Unterricht einer Karbener Schule herausgeholt und zum Flughafen verfrachtet worden.

Beide Vorfälle fanden im Wirkungsbereich des Ausländerbehörde Wetterau statt.

Angeblich wurde diese nach zahlreichen Protesten zu einer „Willkommensbehörde“ weiterentwickelt. Doch wieder handelt diese Behörde inhuman.

Wir fordern den Wetteraukreis auf, die Strafanzeige zurückzuziehen“, sagt Faulhaber.

Der Einschüchterungsversuch gegen den human handelnden Mediziner ist komplett inakzeptabel!“

Wir haben dem Antrag der Grünen als einzige Fraktion zugestimmt. Aber er ging uns nicht weit genug. Denn es geht hier nicht allein um die skandalöse Strafanzeige gegen den Arzt. Die Grünen sprechen auch nur davon, dass es dem Wetteraukreis nicht guttäte, derart über das Ziel hinaus zu schießen.

Es geht um einen Tabubruch!

Das war unsere Rede:

Sie behaupten, nicht der Wetteraukreis sondern die zentrale Abschiebebehörde des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt sei verantwortlich. Jetzt frag ich mich: warum passieren solche Abschiebungen aus Schutzräumen nur im Wetteraukreis und nicht anderswo? Warum wird nur hier eine Romna aus dem Unterricht geholt, wie vor einigen Monaten in Karben? Und jetzt wird ein Rom unter einem Vorwand aus der psychiatrischen Klinik gelockt, verhaftet und abgeschoben.

Warum stellt dann der Wetteraukreis Strafanzeige gegen den Arzt und nicht das Land Hessen?

Diese Abschiebung aus einer Psychiatrie ist ein Tabubruch!

Unstrittig ist, dass die Rechtswege ausgeschöpft waren. In einem Eilverfahren beim hessischen Petitionsausschuss lehnte die Berichterstatterin, die CDU-Frau Wallmann, die Eingabe nach Sach- und Rechtslage ab. Aber sie verwies die Petition nicht in den Härtefallausschuss. Dabei gab es Abschiebehindernisse:

Jeder der etwas über Traumata weiß, weiß auch, dass sie unter Streß wieder aufbrechen können. Die Familie des Mannes wurde abgeschoben. Er landete krank in der Psychiatrie. Berichte im Fernsehen haben deutlich gemacht, unter welch prekären Verhältnissen Roma in den Balkanländern leben müssen. Hier davon zu sprechen, der Rom könne auch im Kosovo gut behandelt werden, ist geradezu skuril.

Noch schlimmer ist die Anzeige gegen den Arzt! Sie unterstellen ihm ja sowieso, er schütze den Flüchtling unzulässig . Erst recht hätten Sie ihm rechtswidriges Handeln unterstellt, wenn er nicht gesagt hätte, der Rom sei traumatisiert und suizidgefährdet.

Wir sehen in der Anzeige einen Einschüchterungsversuch gegen einen kritischen Mediziner!“

Begeisterte Unterstützung löste das Vorgehen des Wetteraukreises bei der NPD-Fraktion im Kreistag aus. Sie forderten, dass weiterhin eine härtere Gangart eingeschlagen werden müsse. Da sind die anderen Fraktionen dann ja in feiner Gesellschaft!

Die Argumentation des Herrn Lux von der SPD lautete: Der Wetteraukreis habe keine Anzeige erstattet. Er habe nur die Staatsanwaltschaft aufgefordert, gegen den Arzt zu ermitteln.

Außerdem will der Kreis die Behandlungskosten nicht an die Klinik zahlen. Der Arzt hatte gesagt, eine Psychiatrie sei ein geschützter Raum, ähnlich wie ein Kirchenasyl. Jetzt die bestechende Logik des Wetteraukreises: wenn es wie Kirchenasyl ist, kann es ja nichts kosten. Ist daran jetzt auch das Regierungspräsidium schuld?