Rede am 25. Oktober 2017 zum Nachtragshaushalt für 2018
Sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender,
Mein Damen und Herren,
wir bezweifeln nicht, dass Landrat Arnold ein sorgfältiger Kämmerer ist und auch nicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung eine korrekte Erstellung der Haushaltssatzung für 2018 vorgenommen haben.
Solides Wirtschaften mit den Finanzmitteln war ja in der Wetterau nicht immer selbstverständlich.
Was wir aber bezweifeln ist, dass die Schwerpunktsetzung des Haushalts den sozialen Anforderungen entspricht, die sich im Wetteraukreis stellen.
In seiner Pressemeldung zum Haushalt lobt der Landrat das Sparprogramm, das seit 2013 im Wetteraukreis gilt.
Er führt besonders an, dass Kreisleistungen zurückgefahren und Sozialleistungen ausgelagert wurden und dass seither ein Wettbewerb der Unterbietung gewünscht ist.
Man habe sich bei den Kürzungen nicht der Rasenmähermethode bedient. Man habe notwendige, wichtige und zukunftsorientierte Ausgaben beibehalten oder gar ausgeweitet.
Das sagt der Landrat.
Da stellen sich Fragen:
War die ambulante Bereitschaftspflege keine notwendige, wichtige und zukunftsorientierte Aufgabe?
Waren die psychosozialen Beratungsstellen keine notwendige, wichtige und zukunftsorientierte Aufgabe?
Oder die Schuldnerberatung?
Oder die Erziehungberatung und die Nachmittagsbetreuung von Kindern – hier besonder solcher mit Erziehungsproblemen? Oder der Notkindergarten?
Oder die Vergabe der Flüchtlingsbetreuung? Bei der man nicht zurückschreckte, sie an den Discouter European homecare abzugeben?
Ich hör jetzt mal auf, denn die Liste ist ja lang!
Aber andererseits gehört anscheinend Preisdrückerei im Sozialen Bereich zu den notwendigen, wichtigen und zukunftsorientierten Aufgaben.
Mit freien Trägern der Jugendhilfe und anderen Leistungserbringern werden Einzelvereinbarungen getroffen, werden die Preise gedrückt, statt Rahmenvereinbarungen zu treffen, die wie ein Tarifvertrag die Bedingungen im Jugend- und Sozialhilfebereich regeln.
Ja, im Sozialbereich kam diese Kreistagsmehrheit ziemlich oft zu dem Schluß – wie der Landrat es ausdrückt: dass man sich von Bereichen trennen sollte, die andere besser machen können.
Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Mitarbeiter/innen bei den Trägern und Leistungserbringern interessierten dabei leider nicht.
Ich erinnere daran, dass auch langjährigen und soliden Leistungserbringern nach Ausschreibungen der Zuschlag aus Kostengründen nicht gewährt wurde – selbst wenn damit hohe Qualität und Erfahrung verloren gingen, in der Folge Arbeitsplätze gekündigt wurden und der Leistungsumfang deutlich geringer wurde.
Ich will aber auch darauf aufmerksam machen, dass selbst elementare soziale Probleme offensichtlich nicht zu den notwendigen, wichtigen und zukunftsorientierten Aufgaben gehören:
Die Wohnungsnot zum Beispiel.
Dass es immer weniger öffentliche, bezahlbare Wohnungen gibt ist bekannt. Wird aber immer noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen.
Es gibt keinen qualifizierten Mietspiegel,
es gibt keine Bedarfsanalyse,
es gibt kein wirkliches Bewusstsein über die Dramatik am Wohnungsmarkt für das untere Fünftel der Bevölkerung.
Stattdessen agieren Sozialamt und Jobcenter lieber repressiv und setzen die Wohnungssuchenden unter Druck. Selbst bei Exmietierungen stehen keine Notunterkünfte zur Verfügung.
In einer Kritik der Diakonie und der Caritas wurde richtig bemerkt: Der Wetteraukreis fuhr seine Sozialleistungen auf ein absolutes Minimum zurück.
Und das wurde natürlich mit der Rasenmähermethode gemacht!
Andererseits verzichtet dieser Kreistag regelmäßig auf der Einnahmeseite auf Finanzmittel: Zuschüsse des Landes für den sozialen Wohnungsbau bleiben ungenutzt, die gesetzlich mögliche Abführung der Sparkassengewinne bleibt ungenutzt, es wird nicht für eine Vermögenssteuer gestritten, die Hessen 1,5 Milliarden Euro bringen würde.
Meine Damen und Herren,
in seiner Presserklärung zum Nachtragshaushalt 2018 nennt der Landrat auch gestiegene Investitionsmittel. 31 Millionen Euro gibt es vom Land Hessen.
Er schlägt vor, die Mittel (unter anderem) als Sonderinvestitionsprogramm für den Sozialen Wohnungsbau zu verwenden.
Das können wir nur begrüßen!
Uns fehlt zwar der Glaube und wir warten darauf, dass der Bau von bezahlbarem Wohnraum endlich auch im Haushalt festgeschrieben wird. Dann könnten auch wir mal darüber nachdenken, einem Haushalt des Wetteraukreises zuzustimmen.