Hartz4 an der Supermarktkasse?

Anfrage der Linken/Piraten vom 12. Februar 2019
Antworten vom 28. Februar 2019

 

Die Hessenschau berichtete am 12. Januar 2019 über eine „erfolgreiche“ Testphase bei ausgewählten Jobcentern, darunter auch das Jobcenter Wetterau. Danach sei es nun in Büdingen und Friedberg möglich, „in Notfällen Bargeld an der Supermarktkasse auszahlen zu lassen“. Das Jobcenter gibt oder sendet dem Leistungsberechtigten einen Strichcode und damit kann bei Rewe, Real, dm, Rossmann oder Penny das nötige Bargeld an der Kasse abgeholt werden.

Antwort
Vorbemerkung: Die Zahlung der SGB II-Leistungen erfolgt regelhaft bargeldlos auf das Konto der Kunden/innen. Lediglich in dringenden Ausnahmefällen, in denen Kunden/innen so zeitnah finanzielle Unterstützung benötigen, dass Überweisungen nicht zielführend sind, nutzt das Jobcenter Wetterau die Serviceleistung „Barzahlungsverkehr“ der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Bisher erfolgten diese Zahlungen per Kassenautomat in den Dienststellen oder per Zahlungsanweisung zur Verrechnung („Scheck“). Zum Jahresende 2018 wurde das System der Barzahlung mittels Kassenautomaten seitens der BA eingetellt u.a. weil die Kassenautomaten zunehmend funktionsanfällig und wartungsintensiv waren. Alternativ hat das Jobcenter Wetterau im November 2018 das neune Verfahren „Barcode“ implementiert.

1.) Diese Zahlungsmethode soll „in Notfällen“ gelten. Was verstehen Sie unter einem „Notfall“? 

Antwort: Barzahlungen erfolgen, wenn Leistungen sehr kurzfristig ausgezahlt werden müssen, weil Überweisungen ca. 4-5 Tage dauern, bis sie auf dem Konto gut geschrieben werden.
Beispiele: Notwendige Vorauszahlung auf Regelleistung; Vorab-Übernahme von Fahrkosten für kurzfristigen Vorstellungstermin bei Arbeitgebern, weil Kinde/in nicht in Vorlage treten kann.

Wie wird das Geld für die Behebung des Notfalls beantragt?

Antwort: In der Regel durch persönliche Vorsprache.

Wo findet die Bearbeitung/Beweilligung statt und wer bearbeitet das?

Antwort: Regelleistungen bearbeitet die Leistungssachbearbeitung, Eingliederungsleistungen die Vermittlungsfachkraft.

Gibt es dafür eine Taskforce im Jobcenter oder macht das die zuständige Sachbearbeitung?

Antwort: siehe oben

Wie lange dauert die Bearbeitung eines solchen Antrags?

Antwort: Nach Klärung des Sachverhalts 10 Minuten.

2.) Wie viele Leistungsberechtigte ohne Konto gibt es beim Jobcenter Wetterau?

Antwort: Grundsätzlich verfügen alle Leistungsberechtigten über ein Konto.

3.) Wie viele Leistungsberechtigte haben in der Testphase diese Zahlungsmethode genutzt?

Antwort: Hierüber leigen keine Informationen vor, da die Pilotierung nicht im Jobcenter Wetterau erfolgte.

4.) Wie hoch sind die Kosten für das Jobcenter, die durch die Nutzung der Leistungen der Firma „Cash-Payment-Solutions“ entstehen? Wie viel verlangen die Supermärkte für diese Leistung?

Antwort: Der Kostenersatz je Barzahlung per Barcode beträgt 5,71 Euro. Eine gesonderte Zahlung an Supermärkte fällt nicht an,
Zum Vergleich: Barzahlung per Kassenautomat 7,22; per Scheck 8,39 Euro.

5.) Wie hoch sind die Kosten für Barauszahlungen beim Jobcenter Wetterau?

Antwort: siehe Frage 4

6.) Wieso werden für solche Fälle nicht die Kassenautomaten der Sparkasse Oberhessen genutzt? Beziehungsweise anderer Kreis- oder Stadtsparkassen?
Zur Zahlung der Regelleistungen müssen die Leistungsberechtigten sowieso ein Konto vorhalten.

Antwort: Barzahlungen erfolgen kontounabhängig. Sparkassen oder andere Kreditinstitute bieten keine technische Verbindung zu ihren Systemen an, die dies ermöglichen würde.

7.) Ist geplant, kein Geld mehr im Jobcenter Wetterau bar auszuzahlen?
Sollen die Geldautomaten im Jobcenter Wetterau abgebaut werden und wenn ja, bis wann?

Antwort: siehe Vorbemerkung

8.) Wie ist eine Verlagerung der Barauszahlungen mit SGB I (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) vereinbar, wo bestimmt wird, dass die Sozialleistungsträger „verpflichtet sind, die für die Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen Sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen“?

Antwort: Die Nutzung der Barauszahlung per Barcode steht hierzu nicht im Widerspruch.

Im SGB II und SGB III gibt es einen Geldleistungsanspruch, also die Pflicht, die Leistungen in Geld auszahlen zu müssen. Die Pflicht kann nur in bestimmten Fällen im SGB II eingeschränkt werden: bei behördlicher Erfahrung mit nicht geeignetem Umgang mit Geld, bei nicht Ansparen aus der „ausreichenden“ Regelleistung und im Falle von Sanktionen.

9.) Wie wird seitens des Jobcenters Wetterau und seitens des Kreisausschusses als Träger des Jobcenters Wettrau begründet, dass hoheitliche Aufgaben nun über nicht befugte Dritte abgewickelt werden sollen?

Antwort: Mit der Nutzung der Barauszahlung per Barcode geht keine Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf unbefugte Dritte einher.

10.) Wie soll Missbrauch entgegengewirkt werden – zum Beispiel dass die Supermärkte die Zahlungen mit Einkäufen verrechnen? Oder dass sich Leistungsberechtigte zu Einkäufen genötigt sehen?

Antwort: Eine Kaufverpflichtung ist explizit ausgeschlossen.

11.) Wie soll der Sozialdatenschutz an der Supermarktkasse gewährleistet werden?
(z.B. ausreichender Abstand an der Kasse, Verschwiegenheitsverpflichtung der Kassiererin, u. ä. ) Der Bundesdatenschutzbeauftrage hielt eine diesbezügliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit für rechtlich zweifelhaft.

Antwort: Zahlungen per Barcode sind inzwischen in vielen Branchen etabliert. Sie erfolgen neutral und anonym. Auf dem Auszahlschein ist werder ein Name vermerkt noch ist erkennbar, wofür und von welchem Auftraggeber die Auszahlung erfolgt. Ebenso ist kein Ausweis bei Einlösung des Auszahlscheins notwendig.

12.) Worin liegt die Vereinfachung oder Verbesserung, wenn ein/e Leistungsberechtigte/r den Strichcode erst beim Jobcenter abholen muss, um dann zu einem Supermarkt zu gehen – statt gleich beim Jobcenter eine Auszahlung zu erhalten?

Antwort: Auszahlungen per Barcode sind einfacher und schneller zu erstellen, als zuvor die Kassenkarten für die Kassenautomaten oder Schecks. Barcode minimiert den Sicherheits-, Wartungs- und Bestückungsaufwand den die Kassenautomaten erorderten. Hierdurch wird die Barzahlung kostengünstiger im Vergleich zu Kassenautomaten oder Schekcs. Die Einlösung des Barcodes ist während der regulären Öffnungszeiten der beteiligten Märkte, als auch außerhalb der Sprechzeiten des Jobcenters möglich.

12.) Wie wird gewährleistet, dass – zum Beispiel im Ostkreis – ein befugter Supermarkt erreichbar ist. Wer bezahlt die Fahrtkosten, wenn der Weg zum befugten Supermarkt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegt werden muss?

Antwort: An beiden Jobcenter-Standorten befinden sich fußläufig Filialen der Geschäfte, die Auszahlungen per Barcode anbieten.

11.) Bisher wurden SGB III Vorschüsse meist abgelehnt und die Antragsteller/innen wurden auf die Jobcenter verwiesen. In wie vielen Fällen gab es in der Wetterau im Rechtsbereich SGB III Vorschusszahlungen im Notfall?

Antwort: Es sind keine Fälle bekannt.