Haushalt 2025: Linke fordert bezahlbare Wohnungen und Gewaltschutz für Frauen

Haushaltsrede Karben. 13. Dezember 2024.

Herr Fischer, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Rahn!

Selbstverständlich können Sie solide einen Haushalt aufstellen. Das ist nicht die Frage.
Deshalb sind für mich auch nicht Einzelposten im Haushalt 2025 heute hier Thema, sondern es geht mir darum, was in diesem Haushalt gerade nicht vorkommt. Beziehungsweise für was das Geld ausgeben wird und wofür nicht, oder nicht angemessen. Das ist eine entscheidende politische Frage!

Ob das Geld für Freizeit- und Vergnügungsbauwerke an der Nidda ausgegeben wird oder ob die Reste der innerstädtischen Freiflächen entlang der Nidda auch frei bleiben – als Frischluftschneise und eine Verbindung zwischen den südlichen und nördlichen Niddaauen – ist eine erhebliche und folgenschwere Entscheidung.
Ebenso, ob dicht an die Nidda heran gebaut wird oder Flächen für Überflutungen ausgespart bleiben.

Bisher spielte in Karben die Gefährdung bei Hochwasserereignissen keine entscheidende Rolle in der Planung von Baugebieten. Dabei könnten die Folgekosten eines großen Hochwasserereignisses die Stadt locker ruinieren. … und natürlich die Bewohner vor Ort.
Städtischer Klimaschutz, Hitzeprävention, Grundwasserschutz, zurückhaltender Umgang mit wertvollem Ackerland – das sind alles keine Themen, die in der Karbener Innenstadt-Planung und damit im Haushalt entsprechend ihrer Bedeutung vorkommen.

Überhaupt stellt sich die Frage: Für wen wird in Karben Geld ausgegeben?

Reden wir also über Kindertagesstätten:
Frühkindliche Erziehung ist für alle Kinder wichtig.
Aber besonders wichtig ist es, dass Kinder früh gefördert werden, die zu Hause sonst nicht die angemessene Förderung erhalten können. Seien es bildungsferne Familien oder schlechte finanzielle Verhältnisse.
Dass besonders diese Kinder gefördert werden, hieß früher mal: „Chancengleichheit“.

Es ist wirklich gut, dass Hessen sechs Stunden Kita beitragsfrei gestellt hat. Aber das reicht nicht.
Familien, die sich mit zwei oder mehr Jobs oder mit Schichtarbeit durchschlagen, gehören überwiegend in untere Einkommensbereiche.
Diese Kinder sind auf die Randstunden in der Kita besonders angewiesen – auch oder gerade weil ihre Familien keinen finanziellen Spielraum haben. Zusätzlich werden die Lebenshaltungsskosten und die Mieten von Jahr zu Jahr teurer.

In dieser Situation haben Sie, meine Damen und Herren, die Staffelung nach Einkommen bei den Kita-Gebühren abgeschafft. Jetzt bezahlt eine Familie unter 36.000 Euro Jahreseinkommen genauso viel, wie eine Familie mit mehr als 120.000 Euro. Sie belasten Familien in den unteren bis mittleren Einkommensgruppen unverhältnismäßig mit ihren neuen Kita-Gebühren.
Und das Beste: Sie finden diese Gebühren auch noch gerecht, weil sie für alle gleich sind!
Der Bürgermeister fabuliert dann davon, dass die unteren Einkommensgruppen die Gebühren sowieso vom Wetteraukreis erstattet bekämen.
Dabei wissen Sie genau: Das gilt nur für Berechtigte von Sozialleistungen. Und Einkommen unter 36.000 Euro sind noch lange nicht sozialleistungsberechtigt.

Und noch etwas Grundsätzliches: Eigentlich müsste frühkindliche Bildung kostenfrei sein, wie die Schule. Das wäre sozial gerecht. Das würde auch den Anforderungen einer Gesellschaft entsprechen, die dringend gut gebildete Menschen braucht!

Der zweite Punkt, der im Haushalt nicht vorkommt, meine Damen und Herren, ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Ja! Natürlich ist mir bekannt, dass Sie diesen Bereich in die WoBau ausgelagert haben.
Aber damit können Sie keinesfalls auch die Verantwortung für bezahlbaren Wohnraum auslagern und ebenfalls nicht, dass es im unteren Preissegment in Karben kein ausreichendes Wohnungsangebot gibt!
Der fehlende bezahlbare Wohnraum ist zur Zeit das soziale Problem Nummer 1 in Deutschland und auch im Rhein-Main-Gebiet.
Wohnungsnot treibt die Mieten nach oben!
Und das mit dem Angebot und der Nachfrage ist doch so eine CDU-Marktweisheit, oder?

Die CDU-Mehrheit im Stadtparlament will aber die Wohnungsnot im unteren Preissegment überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen! Unbeirrt halten Sie, meine Damen und Herren, an einer Hochpreispolitik im Wohnungsbereich fest: Bei Ihnen haben private Investoren, Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser Vorrang. Ich sag nur: Wohnbaugrundstücke für 800 Euro pro Quadratmeter!

Und Whow! Das wird vom CDU-Faktionsvorsitzenden Beck sogar als besonders demokratisch dargestellt, wenn man wohlhabendere Bevölkerungsschichten bevorzugt.

Na ja, also gut: Im antiken Griechenland – wo die Demokratie ja bekanntlich erfunden wurde – hatte man auch keine Probleme, die Mehrheit der Bevölkerung ohne Besitz aus dem demokratischen System auszuschließen.
Jetzt hat sich der Demokratiebegriff zwar mit den Jahrhunderten weiterentwickelt und offiziell sollte der Besitz kein Kriterium mehr sein, um Grundrechte zu haben – wie eben „Wohnen“.
Doch in Karben gilt anscheinend immer noch: Wer Geld hat, der darf sich ganz demokratisch darauf verlassen, dass seine Wünsche politisch berücksichtigt werden. Wohlhabende dürfen sich Einfamilienhäuser oder hochwertige Eigentumswohnungen wünschen und so werden die Baugebiete dann auch den Wünschen entsprechend ausgewiesen.
So demokratisch ist es hier in Karben!

Dass es einen riesigen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen für mittlere und niedrige Einkommen gibt, und dass man für diese Bevölkerungsschichten vermehrt planen und bauen müsste, und eben nicht vorrangig für die wohlhabende obere Mittelschicht, das soll dann wohl eher undemokratisch sein, oder was?

Und diese Auslagerung der Wohnungspolitik zur WoBau ist ja nun auch kein Meisterwerk demokratischer Politik! Damit ist auch ein großes Stück Mitbestimmung der Stadtverordneten unmöglich gemacht worden. …Sollte man nicht ganz vergessen!

Aber zurück zum Haushalt: Es gäbe ja auch mit der WoBau die Möglichkeit für eine verstärkte soziale Wohnungspolitik. Würde man die Wohnungsnot im unteren Preissegment endlich zur Kenntnis nehmen, könnte man im Haushalt beschließen, der WoBau einen maßgeblichen Zuschuss bereitzustellen, damit in größerem Maßstab auch Familienwohnungen und Sozialwohnungen gebaut werden könnten. Das ist keinesfalls ungesetzlich!
Und sollten zukünftig beachtenswerte bebaubare Flächen oder größere Einnahmen in die Stadtkasse fließen, sollte damit dann auch an allererster Stelle bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden!

Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Punkt:
Ich habe für DIE LINKE. einen Haushaltsantrag eingebracht, dass mit der überschaubaren Summe von 5000 Euro jährlich die Zuschüsse für Frauenschutzeinrichtungen, wie das Frauenhaus, aufgestockt werden sollen.

Sie haben es ja sicher mitbekommen: Das Bundeskriminalamt hat im November 2024 gemeinsam mit der Innenministerin ein Lagebild vorgestellt mit dem Titel „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“.

Darin wird aufgezeigt, dass im Jahr 2023 jeden Tag mehrfach versucht wurde, eine Frau oder ein Mädchen zu töten und laut Statistik ist das auch täglich einmal gelungen. Jeden Tag ein Femizid!
Das bedeutet, dass bei einem Drittel aller Tötungsdelikte in Deutschland Frauen die Opfer sind.
Zudem hat die häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Beziehungen und Familien enorm zugenommen.

Meine Damen und Herren, auch Gewalt- und Frauenschutz kommen nur marginal in diesem Haushalt vor: mit 3000 Euro. Bis zum Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch, war ich zuversichtlich, dass das heute Abend ein bisschen verbessert werden könnte.
Denn der CDU-Vorsitzende Merz war von dem Bericht tief erschüttert. Laut einer Presseerklärung der CDU machte er deutlich: „Wir als Union fordern einen nationalen Aktionsplan, der Frauen besser schützt und Täter konsequent zur Verantwortung zieht. Dazu gehören mehr Schutzräume, (und) eine klare Finanzierung von Frauenhäusern…“ „Gewalt gegen Frauen darf in Deutschland einfach keinen Platz haben.“

Auch alle anderen Parteien zeigen sich einig, dass Hass und Gewalt gegen Frauen ein zunehmendes gesellschaftliches Problem darstellen und ein Ausbau der Beratungs- und Schutzeinrichtungen erfolgen müsste.

Ein Betrag von 5000 Euro mehr – also insgesamt 8000 Euro – für Frauenschutz würde den Haushalt 2025 nicht besonders belasten. Sie wollen aber die Mittel bloß um 15 % aufstocken. Weil alles teurer geworden ist, sagen Sie. Das stimmt. Sie gleichen mit diesen 450 Euro bloß die Teuerungen aus.
Aber Sie ignorieren damit den dringenden Schutz für Frauen bei steigender häuslicher und öffentlicher Gewalt und bei vermehrten Femiziden.

Karben ist ohne Weiteres in der Lage, einen Beitrag zum Schutz von Frauen und Mädchen zu leisten und ich hoffe, Sie haben sich seit Mittwoch berappelt und ein bisschen recherchiert und stimmen diesem Antrag doch noch zu.

Meine Damen und Herren,
Sie haben die gute Lage des Karbener Haushalts dargestellt und Ihre Sorgen, dass das zukünftig schlechter werden wird. Da haben Sie zweifellos recht!
Schlagen wir eine Brücke zur Bundespolitik: Wer 90 Milliarden für Militär ausgibt und Supervermögen vor Steuern verschont, wird die Folgen ausbaden müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.