Klimaschutzmaßnahmen sozial gestalten!

Antrag zur Kreistagssitzung am 9. Februar 2022:

Der Kreisausschuss wird beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, wie die Klimaschutzmaßnahmen im Wetteraukreis sozial gestaltet werden können.
Dazu gehören:

1. Das Bauamt des Wetteraukreises informiert bei Bauanträgen über Vorgaben zum Klimaschutz und über mögliche Fördermöglichkeiten, wenn von den Bauherr:innen klimafreundliche Baumaßnahmen geplant sind.

2. Der Wetteraukreis startet in 2022 eine Informationskampagne über Wärmedämmung und Sanierung von Heizungsanlagen von Wohngebäuden und unterstützt beratend bei der Beantragung möglicher Zuschüsse.

3. Der Wetteraukreis trifft Absprachen mit der OVAG zu Sozialtarifen für Strom.

4. Der Wetteraukreis spricht mit der OVAG, wie eine Energieberatung etabliert werden kann für Verbaucher:innen mit überdurchschnittlichem Stromverbauch.

5. Der Wetteraukreis initiiert Absprachen mit der OVAG, dem Wetteraukreis/Soziale Hilfen und dem Jobcenter, wie die Ersatzbeschaffung bei kaputten Weißwaren (Kühlschrank, Waschmaschine) mit energieeffizienten Geräten finanziell unterstützt werden kann.

6. Der Wetteraukreis wirbt bei den ortsansässigen Betrieben für die Einführung eines Jobtickets und unterstützt ggf. bei Absprachen mit vgo und RMV.

7. Der Wetteraukreises trifft Absprachen mit der vgo und dem RMV über die Einführung von Sozialtickets im ÖPNV für Sozialleistungsbeziehende.

Begründung

Klimaschutzmaßnahmen wirken sich auf die Verbraucherpreise aus.
Der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt auch:
Der Anteil der von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe steigt. Die Armutsquote beträgt insgesamt 16,1 Prozent, bei Haushalten mit drei oder mehr Kindern 31 Prozent, bei Alleinerziehenden 41 Prozent, bei Arbeitslosen 52 Prozent. Inzwischen ist ein Fünftel der Bevölkerung arm oder von Armut bedroht.
Diese Haushalte sind stark betroffen, wenn Energiepreise steigen. Insbesondere auch deshalb, weil sie meist nur alte, nicht energieeffiziente Elektrogeräte benutzen und sich im Ersatzfall meist nur gebrauchte ältere Modelle wieder beschaffen können. Der Stromverbrauch ist in diesen Haushalten verhältnismäßig hoch.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2014 festgestellt, dass die Regelbedarfe in einer Höhe bemessen sind, die kurz vor der Verfassungswidrigkeit liegen. Das Gericht hat außerdem vorgegeben, eine Anspruchslage für Weißwaren, Brillen und allgemein für einmalige Bedarfe zu schaffen. Dem ist die Bundesregierung nun nach sieben Jahren nachgekommen und hat so genannte „besondere Bedarfe“ eingeführt – die leider von der Bundesagentur für Arbeit durch interne Anweisungen vollständig ignoriert werden.
Im derzeitigen Regelbedarf wird ein Betrag von knapp 2 Euro monatlich für die Anschaffung eines Kühlschranks oder einer Waschmaschine vorgesehen. Kostet ein solches Gerät 100 Euro (was nur bei gebrauchten Geräten möglich ist), muss immerhin mehr als 4 Jahre angespart werden. Ein neues energieeffizientes Gerät ist damit kaum erschwinglich. Aus Klimaschutzgründen halten wir aber eine energieffiziente Ersatzbeschaffung für veraltete kaputte Geräte für unvermeidbar.

Eine große Hilfe wäre zudem, wenn die Nebenkosten der Wohnungen nicht stetig ansteigen würden. Wärmedämmung und effektive Heizungsanlagen sind nicht nur ökologisch sinnvoll – sie senken auch die Nebenkosten der Mieter:innen.

Ebenso belasten steigende Mobilitätskosten arme Haushalte besonders stark.
Im Regelsatz sind 40,27 Euro monatlich für Verkehr enthalten. Schon von Bad Nauheim bis Friedberg kostet eine Monatskarte für Erwachsene 74,80 Euro. Wer von Nidda anreist bezahlt 144,60 Euro. Und günstigere Jahreskarten können mit diesem Budget auch nicht vorfinanziert werden.

Energiesparen und umweltfreundlich mit dem OPNV fahren entlastet die Umwelt. Aber es belastet einkommensschwache Haushalte in besonderem Maße. Eine Klimawende ohne soziale Maßnahmen ist für dieses Fünftel nicht leistbar.