Friedberg wird faktisch von einer Mitte-Rechts Koalition aus CDU, SPD und UWG regiert. Diese Fraktionen haben in den letzten Jahren jedem Haushalt zugestimmt und zentrale inhaltliche Richtlinien der Politik bestimmt.
So wird es auch dieses Jahr kommen. 2019 sieht der Haushaltsentwurf seit langem mal wieder einen nennenswerten Überschuß vor. Dies konnte trotz deutlicher Steigerung der Investitionen erreicht werden. Ein großer Kostenfaktor ist der Ausbau der Kita-Betreuung. Die in diesem Bereich nötigen Investitionen sind zwingend und sinnvoll. Sie finden unsere Zustimmung.
Aber schon bei diesem Thema zeigt sich die Politik der sozialen Kälte, die in Friedberg herrscht. Die Agenda 2010 Parteien haben eine Pauschalgebühr bei den Kitas eingeführt und grenzen damit arme Kinder vom Krippenbesuch aus.
Das größte Problem in Friedberg ist die Wohnungsnot. Laut Hessen-SPD ist dies sogar die ‚neue soziale Frage‘. Im Fokus der Friedberger Wohnungspolitik steht seit Jahren Privatisierung, Fokussierung auf Luxusneubauten und Reduzierung des sozialen Wohnraums. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums wurde nur soweit betrieben wie es nötig war, um damit in die Zeitung zu kommen. Während hunderte Sozialwohnungen wegfielen wurden weniger als 50 neu gebaut. Bei steigenden Einwohnerzahlen. Deshalb ist die Warteliste allein bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft lang: Über 400 Haushalte suchen nach einem Dach über dem Kopf. Der Großteil davon braucht eine Sozialwohnung.
Eine solche Politik hat Folgen: In der Altstadt werden Wohnungen gnadenlos überbelegt. Die Stadt sieht dabei zu und tut nichts. Und auch außerhalb der Altstadt tut das weh: Wenn in finanzschwachen Familien über die Hälfte des Einkommens für die Wohnung verbraucht werden, leiden die Kinder darunter. Geld für den Schulausflug, für musikalische Bildung oder gar einen Besuch im Freizeitpark ist dann oft nicht mehr da. Selbst das Mittagessen für die Kinder müssen sich die Eltern zum Teil selbst vom Mund absparen. Alleinerziehende trifft es dabei am härtesten. Deshalb leben auch im Rhein-Main Gebiet über 20 % der Kinder in Armut. Das ist ein Skandal in einem so reichen Land.
Abhilfe schaffen könnten hier bezahlbare Mieten, aber auch ein Sozialpass, der finanzschwachen Familien eine reelle Chance auf Teilhabe bietet. Auch er wurde dieses Jahr faktisch abgelehnt von den Mitte-Rechts-Parteien. Man sieht: Wenn es um Politik gegen „die da unten“ geht ist man sich schnell einig in der politischen Klasse.
Natürlich haben auch wir gehört, dass die erste Städträtin plant, einen Großteil der Erlöse aus dem Verkauf von Grundstücken am Steinernen Kreuzweg für sozialen Wohnungsbau auszugeben. Das klingt erstmal gut. Aber es ist nur eine Ankündigung, die wohl auch mit den nahenden Landtagswahlen zu tun hatte. Im von Ihr vorgelegten Haushaltsentwurf und Investitionsplan stehen für Wohnungsbau: 0 Euro. In 2019, in 2020 und auch in den Folgejahren. Glaubwürdige Politik geht anders.
Dabei ist der Haushalt 2019 alles andere als ein Sparhaushalt: Neben den großen Ausgaben für den Kita-Ausbau werden z.B. auch viele Mill € für ein zusätzliches Rathaus anvisiert. Wie viel es kostet, soll bis 6. Dezember noch geheim sein. Ein Großteil davon wird in 2019 fällig, der Rest später. 400 T€ wird für die Sanierung des alten Stadthallenhotels ausgeben. Was dort reinkommen soll, ist wohl noch nicht ganz klar: Erst hieß es Büroräume, inzwischen sollen es Seminarräume sein. Hauptsache man hat erstmal Geld ausgegeben ist hier wohl die Devise der Verwaltung.
Grüne und Linke hatten bei den Haushaltsberatungen gemeinsam beantragt, 500 T€ für sozialen Wohnungsbau in 2019 bereit zu stellen. Das ist zwar deutlich weniger als nötig, aber es wäre immerhin ein Anfang. Die Verwaltung hatte auf Nachfrage erklärt, dass der Haushalt danach immer noch nicht im Minus ist. Trotzdem wurde der Antrag von den anderen Fraktionen abgelehnt. Begründung: Keine. Man will halt einfach nicht, auch wenn es gehen würde. Selbst diese bescheidene Summe ist zuviel, wenn es um die Bekämpfung von Armut geht.
Um zumindest eine ‚Duftmarke‘ zu setzen wurde aus der SPD dann beantragt, zumindest 250 T€ für Wohnungsbau einzusetzen. In Anbetracht des Bedarfs ein Witz. Und selbst dieser Betrag konnte nur durch Enthaltungen von CDU, UWG und Teilen der SPD erreicht werden. Nun sind also gerade einmal 50 T€ mehr als im Vorjahr für den Wohnungsbau vorgesehen. Für spürbare Verbesserungen reicht das nicht.
In einem Haushalt der so stark von Investitionen geprägt ist wie 2019, ist es möglich, die soziale Frage neu anzugehen. Aber nur Grüne und Linke wollen das. Wir halten dies für nicht vermittelbar: Wenn alleine für ein neues Rathaus problemlos einige Mill. Euro ausgegeben werden können dann muss es auch möglich sein, eine ähnlichen Betrag für die Wahrung des Menschenrechts Wohnen auszugeben. Dies gilt insbesondere, da es zur Lösung der Büroknappheit in der Verwaltung günstigere Alternativen gibt. Und der Bedarf für mindestens 250 bis 300 Sozialwohnungen ist schon jetzt dringend gegeben. Und durch die Entwicklung im Kasernengelände wird er noch steigen.
Ein weiteres Rathaus an der Mainzer-Tor-Anlage 8 ist aus unserer Sicht keine an sich schlechte Idee. Aber vor dem Hintergrund des großen Geizes beim Menschenrecht Wohnen nicht vermittelbar. Die Öffentlichkeit wird nicht verstehen, dass Millionen für unnötigen Büroraum und fast nichts für bezahlbare Wohnungen ausgegeben wird. Wir können diesen Plan daher nicht mehr mittragen und sprechen uns für kostengünstigere Alternativen aus. Die Feinde der Demokratie klopfen an die Türen der Macht. Wenn wir Ihnen etwas entgegensetzen wollen muss Politik begreifbar sein und darf nicht den Eindruck der Selbstbedienung erwecken.