Abzockergebühren in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete
Kreistagssitzung am 26. August 2020
Herr Kreistagsvorsitzender,
meine Damen und Herren,
nachdem uns immerhin nach 11 Wochen1 die Antwort auf unsere Anfrage zu den Gebühren in Gemeinschaftsunterkünften erreichte, wurde uns eines mehr als klar:
Diese Gebührensatzung gehört ganz und gar abgeschafft! Wegen Wucher!
Sicher – Sie haben recht: Wir haben den Paragraphen 2 der Satzung in unserem ursprünglichen Antrag nicht entsprechend gewürdigt. Dort ist festgelegt, dass der Haushaltsvorstand für alle Personen die Gebühr zahlen muss, die der Familie angehören.
So kommt es, dass Familien mit 2 Kindern 1150,32 Euro für ein Zimmer mit Kochgelegenheit zahlen müssen und für eine Familie mit drei Kindern sind das 1437,90 Euro.
„Haushaltsgröße oder Quadratmeter sind dabei unerheblich“, schreiben Sie in Ihrer Antwort auf unsere Anfrage.
Meine Damen und Herren, die Sie hier diese Satzung beschlossen haben:
Wer von Ihnen würde für eine Ein-Zimmerwohnung einfachsten Standards eine solche Miete zahlen?
Wie würden Sie diesen Preis denn nennen? Angemessene Miete? Oder wie sonst?
Es ist keine Entschuldigung, dass dieser Wucher durch das Landesaufnahmegesetz von 2017 möglich gemacht wurde. Dass die klammen Landkreise und kreisfreien Städte fast alle wie der Wetteraukreis agieren und Mondpreise für die Unterkünfte aufrufen.
Es gibt das Argument, solche Wuchermieten erhöhen den Druck zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft. Das ist fast schon perfide!
Wer noch im Asylverfahren ist und arbeitet, dem ist der Auszug gesetzlich verwehrt.
Anerkannte Geflüchtete bleiben oft in der Unterkunft, weil sie auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine bezahlbare Wohnung finden.
Ich mache Ihnen jetzt mal eine Rechnung auf:
Sagen wir der Vater verdient 1370 Euro und bekommt 408 Euro Kindergeld.
Zusammen also 1778 Euro Einkommen und 1150 Euro davon sind für Miete.
Der Mann muss beim Jobcenter aufstocken.
Ohne diese Wahnsinnsmiete könnte die Familie ohne Jobcenter leben.
In unserem Fall verwies der Wetteraukreis darauf, dass die Kosten der Unterkunft vom Jobcenter getragen würden. Was soll das? Geht es irgendwie um das Verschieben von Geld?
Mal abgesehen davon, dass diese Gebühren die gültigen Mietobergrenzen am Wohnort sowieso schon um 237 Prozent übersteigen: Das Jobcenter bezahlt in diesem Fall tatsächlich 728 Euro. Also nicht den kompletten Betrag. Aber das liegt immer noch 150 Prozent über der Mietobergrenze.
Jetzt verlangt der Wetteraukreis noch eine Nachforderung über 4601,28 Euro von der Familie, rückwirkend zum 1. März 2019 – dem Termin, an dem die Gebührensatzung in Kraft trat.
Sie antworten auf unsere Anfrage: „Die rückwirkende Gebührenerhebung ist ausdrücklich zugelassen (§4, Abs. 3 LaufnG).“
Ja, das stimmt – aber nur, wenn die betroffene Person auch einen Erstattungsanspruch durch einen Sozialleistungsträger hat. Sonst nicht. Steht im §3 LaufnG unter Absatz 2.
Wer zahlt jetzt den Restbetrag der Wuchermiete?
Und wer zahlt in unserem Fall jetzt die Nachzahlung von 4600 Euro?
Fragen über Fragen!
Und zuletzt noch diese Frage: Für was verwenden Sie eigentlich die Zahlungen des Bundes und des Landes, die explizit zur Deckung der Kosten der Unterkunft vorgesehen sind?
Meine Damen und Herren,
nachdem Sie unsere Anfrage beantwortet haben sind wir zum Schluß gekommen, dass die Gebührensatzung des Wetteraukreises in dieser Form abgeschafft gehört und haben diesen Änderungsantrag gestellt.