Rede zum Nachtragshaushalt 2020: Wohnungspolitik ist weiterhin ein Fremdwort

Kreistag 18. Dezember 2019
Reden zum Nachtragshaushalt 2020

Herr Kreistagsvorsitzender,
meine Damen und Herren,

Es gibt einige Punkte im Nachtragshaushalt, über die es sich zu sprechen lohnte, zum Beispiel unser Antrag zum Frauenhaus Wetterau –
aber ich will heute zu einem Thema sprechen, das im Nachtragshaushalt NICHT vorkommt.

Das derzeit schärfste soziale Problem, nämlich die Wohnungsnot und die explodierenden Mieten, wird im Haushalt und in der Kreisspitze, nicht zur Kenntnis genommen sondern ignoriert.
Kein Gedanke mehr an eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft oder einen Zweckverband Wohnen!
Der Zweckverband Wohnen war wohl nur wieder ein kalkuliertes Wahlversprechen im Landratswahlkampf und offensichtlich nie ernst gemeint.

Meine Damen und Herren,
wir hatten schon letztes Jahr zum Doppelhaushalt 2019 und 2020 beantragt, endlich Geld für eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft bereitzustellen und zwar 21 Millionen, den 10fachen Betrag, den Sie damals beschlossen haben.
Auch heute beantragen wir wieder, dass 21 Millionen in den Haushalt eingestellt werden, um endlich in die Startlöcher zu kommen.

Der Wetteraukreis hatte in den letzten Jahren genug Überschüsse – das führen Sie selbst in diesem Nachtagshaushalt auf – um endlich für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen!
Da wären sehr viel mehr als 21 Millionen drin gewesen – Wenn das politsch gewollt gewesen wäre!
Aber Sie stecken das Geld –
in Zeiten von Null-Zinsen –
lieber in die Schuldentilgung statt in die Bekämpfung von Wohnungsnot.

Und außerdem verschenken Sie Geld!
Denn die Hessische Landesregierung hat Förderprogramme für den Wohnungsbau aufgelegt.
Nach Angaben des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen handelt es sich um 2,2 Milliarden Euro, die die Wirtschafts- und Infrastrukturbank bis 2024 für Wohnraumförderung zur Verfügung stellt.
Hätte der Wetteraukreis eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft, könnten davon auch Mittel abgerufen werden.

Meine Damen und Herren,
die fünf brennendsten Punkte möchte ich heute nochmal benennen:

1. Die Wartelisten der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften laufen über. Hunderte Menschen suchen bezahlbaren Wohnraum. Die Wohnungsnot betrifft nicht mehr nur Geringverdiener/innen sondern immer mehr auch die untere Mittelschicht.

2. Auch im Wetteraukreis sind in den vergangenen 15 Jahren Hunderte Wohnungen aus der Mietpreisbindung gefallen.
Aber bezahlbare Wohnungen sind nur in geringer Zahl neu entstanden.
Ja, es wird gebaut – aber hochpreisiger Wohnraum. Und gebaut wurde von privaten Investoren statt von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Bekanntermaßen wollen private Unternehmen Profit machen und keine Spozialpolitik.
Der Wetteraukreis sieht dabei tatenlos zu.

3. Der Paritätische Wohlfahrtsverband berichtet in seinem jüngsten Armutsbericht, dass in Hessen die Zahl der einkommensschwachen Menschen innerhalb von zehn Jahren um ein Viertel zugenommen hat – so viel wie in keinem anderen Bundesland.
Wohnungsnot verschärft diese Entwicklung noch: Denn hohe Mieten machen Familien arm.
Wir finden: Armutsbekämpfung fängt bei der Wohnungspolitik an!

4. In den Städten und Gemeinden des Wetteraukreises gibt kaum noch Notwohnungen. Aber die Zahl der Entmietungen nimmt zu – meist wegen Mietschulden oder Umlagenschulden.
Explodierende Mieten, keine Notwohnungen und viel zu wenig bezahlbarer Wohnraum.
Aber nichts wird dagegen getan!

Und 5. Ihre Mietobergrenzen.
Seit Jahren decken die Mietobergrenzen des Wetteraukreises die Kosten der Unterkunft für bedürftige Menschen in maßgeblichem Umfang nicht.
Im September 2019 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion und veröffentlichte eine Bilanz der eingesparten Wohnkosten für die Jahre 2011 bis 2018.
Ich kann es nur kurz anreißen, wegen der Zeit, aber dort ist nachzulesen, dass der Wetteraukreis – ich nehme mal die letzten drei Jahre – bei 20 % der Bedarfsgemeinschaften – das sind so etwa zwischen 1500 und 1800 –
im Jahr 1150 Euro pro Bedarfsgemeinschaft bei den Kosten der Unterkunft eingespart hat.
Das ist krass.
Sieht man sich aber die Zahlen an
für Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Kind oder gar für Alleinerziehende,
wird es noch krasser: Bei einem Drittel der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern wird an den Kosten der Unterkunft gespart: Pro Jahr liegt hier die Unterdeckung zwischen etwa 1300 und 1400 Euro pro Bedarfsgemeinschaft – mit Kind!
Meine Damen und Herren, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wir Ihre Sozialpolitik aussieht: Hier ist er erbracht!
Diese Mietobergrenzen sind runtergerechnet und treffen besonders Familien mit Kindern!

Solange so ignorant mit den Sorgen und Nöten eines Großteils der Bevölkerung umgegangen wird, werden wir keinem Haushalt zustimmen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.