Rede in der Kreistagssitzung vom 15. Juli 2015
Sanktionen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aussetzen
Frau Kreistagsvorsitzende,
meine Damen und Herren,
ich weiß nicht, ob Sie wissen, wann Sanktionen – also Strafmaßnahmen durch Geldkürzung – gegen Arbeitslose verhängt werden.
Landläufig denkt man, wenn ein Arbeitsloser seinen Pflichten gegenüber dem Jobcenter nicht nachkommt, dann ist er selber schuld und muss die Folgen spüren.
Doch so einfach ist die Sache nicht.
Sanktionen werden vor allem verhängt, wenn Unterlagen nicht abgegeben werden oder wenn eine Arbeit nicht angenommen wird.
Leider gehen nach wie vor Unterlagen beim Jobcenter „verloren“, die abgegeben wurden. Die Leistungsberechtigten Hartz4-er müssen eine sorgfältige Spiegelakte führen und jedes abgegeben Blatt in Kopie mit einem Eingangsstempel versehen lassen. Sonst können sie die Abgabe nicht rechtssicher beweisen. Oder sie müssen ein Fax senden, das auf der Faxbestätigung eine Kopie des Schreibens zeigt.
Und für die Ablehnung der ein oder anderen Arbeitsstelle gibt es oft gute Gründe: gesundheitliche Einschränkungen, fehlende Kinderbetreuung, kranke Kinder, unrealistische Fahrzeiten oder ein Jobangebot, das man von seiner Qualifikation her überhaupt nicht erfüllen kann.
In Hessen wurden im Jahr 2014 mehr als 52 000 Sanktionen ausgesprochen. Wenn sich die Betroffenen zu einer Klage entscheiden, bekommen sie in etwa 40% der Fälle Recht und die Strafen müssen aufgehoben werden. Leider klagt nur eine Minderheit der Betroffenen.
Oft deshalb, weil sie in die Integrität der Jobcenter vertrauen und keine Spiegelakte führen. Sie können die Abgabe ihrer Unterlagen dann nicht zweifelsfrei nachweisen.
Hartz4 stellt das Existenzminimum dar.
Kürzungen führen dazu, dass das Existenzminimum unterschritten wird. Die Betroffenen müssen Geld leihen, Schulden machen, können ihre Wohnung nicht bezahlen, fallen teilweise aus der Krankenversicherung, ihnen werden Strom, Wasser und Heizung abgestellt.
Das Sozialgericht Gotha lässt nun beim Bundesverfassungsgericht prüfen, ob diese Praxis in Einklang mit dem Grundgesetz steht.
In der Antragsbegründung ist die Argumentation des Gothaer Gericht aufgeführt.
Bis das geklärt ist, sollte diese Sanktionspraxis im Jobcenter Wetterau ausgesetzt werden.
Sie werden mir nun sagen, das sei ein Gesetz und könne nicht ausgesetzt werden.
Doch andere Kreise – z.B. der Kreis Altenburg – haben dies bereits getan. Die Aussetzung der Sanktionen kann auch eine Form des Protestes sein gegen den andauernden Sozialabbau und den Billiglohnsektor.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.