Sanktionen des Jobcenters Wetterau aussetzen

Antrag zur Kreistagssitzung am 15. Juli 2015:

Der Kreistag fordert Landrat Joachim Arnold und den Kreisausschuss auf,
in Mitverantwortung als Teilhaber des Jobcenters Wetterau
darauf hinzuwirken,
dass alle Sanktionsbescheide gegen SGB II-Leistungsberechtigte 
unter Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. Mai 2015
so lange ausgesetzt werden, 
bis das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Sanktionen entschieden hat.

Begründung:

Eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II bei Pflichtverstößen des Empfängers ist nach Ansicht des Sozialgerichts Gotha verfassungswidrig – weil sie die Menschenwürde des Betroffenen antastet sowie Leib und Leben gefährden kann. Die 15. Kammer des Gerichts kam zu der Auffassung, dass die im Sozialgesetzbuch (SGB) II festgeschriebenen Sanktionsmöglichkeiten der Jobcenter gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes verstoßen. Deshalb sollen diese Sanktionen nun vom Bundesverfassungs-gericht geprüft werden.

Die 15. Kammer des Sozialgerichts Gotha stellte in einem am 26. Mai verkündeten Beschluss fest, dass diese Leistungskürzungen gegen das Grundgesetz verstoßen.

So bezweifeln die Richter, dass die Sanktionen mit der im Artikel 1 festgeschriebenen Unantastbarkeit der Menschenwürde und der im Artikel 20 festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik vereinbar sind. Denn aus diesen Artikeln ergebe sich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das bei einer Kürzung oder kompletten Streichung des Arbeitslosengeldes II gefährdet sei.

Außerdem stünden die Sanktionen im Widerspruch zu den Artikeln 2 und 12 des Grundgesetzes, weil sie die Gesundheit oder gar das Leben des Betroffenen gefährden könnten. Die genannten Grundgesetz-Artikel garantierten jedoch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Zudem verstoßen Sanktionen gegen die Berufsfreiheit.

Mit seiner Entscheidung beschreitet das Sozialgericht Gotha nach eigenen Angaben Neuland. Es ist das bundesweit erste Gericht, das die Frage aufwirft, ob die Sanktionsmöglichkeiten der Jobcenter mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Gothaer Sozialrichter sehen die Menschenwürde verletzt, wenn Hilfebedürftigen die Hartz IV Leistungen aufgrund von Terminversäumnissen oder Ablehnung von Jobangeboten gekürzt werden. Die 15. Kammer sieht den Staat in der Pflicht, permanent ein menschenwürdiges Existenzminimum nach den Artikeln des Grundgesetzes (GG) zu gewährleisten.

In Hessen wurden im Jahr 2014 mehr als 52 000 Sanktionen ausgesprochen. Sie führten dazu, dass Menschen monatelang weit unter dem Existenzminimum leben oder sich verschulden mussten. Teils werde ihnen Strom, Wasser und Heizung abgestellt und auch der Verlust der eigenen Wohnung zählt zu den Folgen dieser Maßnahmen. Gleichzeitig sind 2013 bundesweit weit mehr als ein Drittel der Widersprüche und Klagen gegen Sanktionen zugunsten der Betroffenen entschieden worden. Dabei widerspricht bzw. klagt nur eine Minderheit der Betroffenen. 

Leistungen nach SGB II gelten als Existenzminimum.