Wetteraukreis soll sich der Klage des Kreiskrankenhauses Groß Gerau anschließen!

Die Fraktion DIE LINKE. stellt zur Kreistagssitzung am 2. Juli 2024 folgenden Antrag:

Der Kreistag möge beschließen:

Der Kreisausschuss wird beauftragt – wenn möglich gemeinsam mit der Geschäftsführung des GZW – zu prüfen, ob im Wetteraukreis ein ähnliches Klageverfahren angestrengt werden kann , wie es derzeit vom Kreiskrankenhaus Groß-Gerau gegen Bundesgesundheitsminister Lauterbach geführt wird, als Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland.
Alternativ ist zu prüfen, ob man sich dieser bestehenden Klage anschließen kann.

Begründung:

Die Bundesregierung kommt nach Ansicht der Groß-Gerauer Kreisklinik nicht ihrer Pflicht zur Finanzierung von Krankenhäusern nach. Deswegen hat die Klinik als erstes Krankenhaus in Deutschland im März 2024 Klage gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), als Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland, eingereicht.

Aus Sicht der Klinik verstößt der Minister gegen das Krankenhausfinanzierungsgesetz. Das Krankenhaus Groß-Gerau fordert Schadenersatz in Höhe von 1,7 Millionen Euro.
„Die Bundesregierung ist verpflichtet, die auskömmliche Finanzierung von Krankenhäusern als Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten“, heißt es in der Mitteilung der Klinik. „Dieser Pflicht kommt der Bund aus Sicht des Groß-Gerauer Krankenhauses aber nicht nach.“

Zur Information:
https://www.hessenschau.de/tv-sendung/kreisklinik-gross-gerau-verklagt-bundesgesundheitsminister,video-195034.html

Derzeit gelten 80 % der Kliniken als unterfinanziert.
Die Kreisklinik Groß-Gerau sieht hier einen Verstoß gegen das Krankenhausfinanzierungsgesetz. Demnach sei die Bundesregierung verpflichtet, die auskömmliche Finanzierung von Krankenhäusern als Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten.

Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG)
§1 (1) Zweck dieses Gesetzes ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen digital ausgestatteten, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen.

Die Finanzierung der Betriebskosten von Kliniken in Deutschland liegt in der gesetzlich verankerten Pflicht der Regierung. In den vergangenen Jahren sind aufgrund der Pandemie, der Energiekrise sowie der Inflation und weiteren wirtschaftlichen Herausforderungen die Kosten für den üblichen Betrieb eines Krankenhauses enorm gestiegen. Die gesetzliche Gegenfinanzierung gleicht diese Umstände nicht aus. Dabei ist das Bundesgesundheitsministerium als oberste Bundesbehörde verantwortlich, dieses Delta zu schließen“, sagte Prof. Erika Raab, die Chefin der Kreisklinik Groß-Gerau.

Den beklagten Schaden von 1,7 Millionen Euro sieht die Kreisklinik Groß-Gerau durch finanzielle Einbußen in Folge einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2022 auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit gegeben.

Hintergrund ist: Grundsätzlich sind die Erlöse in der Krankenhausfinanzierung gesetzlich gedeckelt. Bis zur Einführung des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes Ende 2022 bestand jedoch eine Ausnahmeregelung, nach welcher Krankenhäuser Kostensteigerungen ausgleichen konnten. Diese Ausnahmeregelung ist mit der Gesetzesänderung ersatzlos gestrichen worden. Die Kreisklinik Groß-Gerau beklagt, dass angefallene Mehrkosten nicht mehr über das Krankenhausfinanzierungsgesetz abgerechnet werden können. Tatsächlich sei deshalb bei der Klinik 2023 ein Defizit in Höhe von 1,7 Mio. € entstanden, welches sich aus Tarifsteigerungen und Erhöhungen der Energie und Materialkosten zusammensetze.

Mit dieser Gesetzesänderung verstoße die Bundesregierung nach Ansicht der Kreisklinik Groß-Gerau gegen ihre gesetzliche Verpflichtung, für eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung zu sorgen. „Ohne eine gesetzgeberische Lösung und Anpassung des Finanzierungssystems wird das Defizit für das Jahr 2024 noch deutlich höher ausfallen. Das betrifft alle Krankenhäuser in der Republik. Die Krankenhausreform des Gesundheitsministeriums wird hieran nichts ändern“, sagt Prof. Erika Raab.

Auch die Hessische Krankenhausgesellschaft unterstützt das Vorhaben. Prof. Dr. Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft e. V., sagt: „Die Zahl der Krankenhausinsolvenzen liegt bundesweit auf einem Rekordniveau. Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind unter den aktuell geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen kaum noch zu bewältigen. Dem Bundesgesundheitsminister ist die durchweg prekäre Lage der Krankenhäuser nur allzu bewusst. Seit Monaten drängen Verbände und ihre Mitgliedskrankenhäuser auf eine Lösung und bieten eine konstruktive Zusammenarbeit an. Die im Bewusstsein noch immer verankerte positivistische Auffassung, dass die handelnde Legislative außerhalb jeglicher Verantwortlichkeit steht, verträgt sich nach

Auffassung der HKG nicht mit einem modernen Staats und Rechtsverständnis. Daher unterstützt die HKG ihr Mitgliedskrankenhaus bei dem Vorhaben, den Bund in die Pflicht zu nehmen und Rechtsklarheit hinsichtlich der Übernahme von Verantwortung für eine verfehlte Finanzierung der Betriebskosten zu schaffen. Wir brauchen eine Qualitätssicherung für Gesetze.“

In Bayern formiert sich ebenfalls Widerstand. 22 Mitglieder der Klinik-Kompetenz-Bayern eG (KKB) (ein Verbund aus 34 Klinikträgern) schlossen sich dem Schadenersatzbegehren an. In der KKB sind zahlreiche große, mittelgroße und kleine Krankenhäuser und Klinikverbünde in ganz Bayern mit insgesamt 66 Standorten vertreten.

Die 22 KKB-Mitglieder haben Ansprüche in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe für das Jahr 2023 außergerichtlich gegenüber dem Bundesgesundheitsminister geltend gemacht: Die finanzielle Situation bei fast allen Kliniken sei desaströs. Es gebe Defizite zwischen 850 000 Euro bis 40 Millionen Euro je Träger. Für dieses Jahr sieht die Prognose noch schlechter aus. Der KKB rechnet mit einem Defizit von etwa 400 Millionen Euro bei allen 34 Klinikträgern in 2024. Der KKB-Verbund erwägt eine Sammelklage für seine Mitglieder.

Ebenfalls protestiert hat die Südostbayern AG – die gemeinsame kommunale Krankenhaus-trägergesellschaft der Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land. Die SOB-AG hat Herrn Lauterbach 29,4 Millionen Euro für das Jahr 2023 in Rechnung gestellt. Diese Rechnung blieb ohne Antwort des Gesundheitsministeriums. Die SOB-AG überlegt, sich der Klage Groß-Geraus anzuschließen.

Zur Sicherung der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung ist die ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser dringend nötig. Die Unterfinanzierung des Bundes kann nicht von Landkreisen und Kommunen ausgeglichen werden, die ja selbst unterfinanziert sind. Auch Privatisierungen – wie beim Mathildenhospital Büdingen – sichern nicht auf Dauer die Versorgung der Bevölkerung, da sie als Wirtschaftsbetriebe noch Gewinne für ihre Eigner abwerfen sollen. Bei zu geringen Gewinnmargen werden sie geschlossen.

Chronische Unterfinanzierung und Privatisierung – beides sollte der Kreistag dem GZW und der Bevölkerung des Wetteraukreises ersparen. Jetzt ist es an der Zeit aktiv zu werden!