Anfrage zur Praxis des Jobcenters Wetterau

Anfrage vom 23. September 2019
antworten vom 13. November 2019

1.
Seit geraumer Zeit wird in den Bescheiden und ebenso auf Informationstafeln im Jobcenter auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Unterlagen, Anträge und Ähnliches auch per e-mail erledigt werden können.
Frage:
Wie wird garantiert, dass die Hilfeempfänger/innen rechtlich abgesichert sind?
Gibt es DE-mail oder einen EGVP-Zugang (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach)?

Antwort:
Der Posteingang via E-Mail wird genauso behandelt, wie ein schriftliches Poststück. Das Datum der E-Mail ist das Posteingangsdatum. Mit den Gerichten wird über den EGVP-Zugang virtuell kommuniziert.
Inzwischen arbeitet das JobCenter mit jobecenter.digital. Hier können die Leistungsbezieher mit einem passwordgeschützten Benutzerkonto online mit dem Jobcenter kommunizieren.

2.
Im § 17 Abs.1 SGB I steht sinngemäß eine Pflicht zur schnellen Bearbeitung bei Erstanträgen.
Frage:
Wie lange ist derzeit die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Erstantrags für Leistungen nach SGB II?

Antwort:
Im Monat August 2019 lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Neuanträge bei Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen bei 4,78 Tagen. Im Jahreverlauf 2019 hatten wir eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer zwischen 4,5 und 7,51 Arbeitstagen.

3.
§ 42 Abs.1 SGB I besagt:
„Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt, die Vorschußzahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.“

Die Erfahrung in unserer Sprechstunde zeigt, dass Berechtigte bei Erstantragstellung häufig nicht alle benötigten Unterlagen direkt vorlegen können. Besonders bei Personen mit Migrationshintergrund kann es passieren, dass Unterlagen erst kostenpflichtig übersetzt oder aus dem Herkunftsland beschafft werden müssen. Das benötigt in der Regel einige Zeit.
Desweiteren gibt es Personen, die den Antrag erst am Ende des Monats stellen. Sie haben rückwirkend Anspruch auf Leistungen nach SGB II. Bis dahin kann es sein, dass schon die Monatsmiete des Beantragungsmonats nicht gezahlt ist.
Frage:
Wird in solchen Fällen auf die Möglichkeit hingewiesen, dass auf Antrag ein Vorschuss gezahlt werden kann?
Falls ja: Wird ein Vorschuss gewährt?
Falls ja: Bis zu welcher Höhe und in welcher Form?
Frage:
Wie oft wurden in den letzten zwei Jahren Vorschüsse gezahlt?
Und in welcher durchschnittlichen Höhe?

Antwort:
Im Zuge unserer Beratungsppflicht nach §14 SGBII werden die Betroffenen über die Möglichkeit der Vorschusszahlung informiert.
– Sollte der grundsätzliche Anspruch auf Leistungen nach dem SGBII noch nicht festgestellt werden können oder die Erfassung der Bedarfsgemeinschaft aufgrund fehlender Nachweise in den IT-Programmen nicht möglich sein, werden Lebensmittelgutscheine ausgehändigt.
– Vorschüsse aufgrund unabweisbarer Bearfe werden nach pflichtgemäßem Ermessen entweder als Barzahlung oder per Überweisung auf das Konto vorgenommen. Die Höhe ist individuell sehr unterschiedlich.
– Von Januar 2018 bis Mai 2019 wurde bei 254 Bedarfsgemeinschaften ein unabdingbarer Bedarf festgestellt und ausgezahlt.

4.
Im SGBII gilt insbesondere für die Jobcenter nach §14 SGB II eine verschärfte und allumfassende Beratungspflicht.
Frage:
Wie wird gewährleistet, dass die Sachbearbeiter/innen dieser Beratungspflicht nachkommen?
Wie erkennt der/die Mitarbeiter/in den vorhandenen Beratungsbedarf?
Gibt es Schulungen, um dem Beratungsbedarf sachkundig nachkommen zu können?
Wie viele Mitarbeiter/innen haben in den letzten beiden Jahren an einer solchen Schulung teilgenommen?
Frage:
In wievielen Fällen kam es in den letzen Jahren zu Dienst-und Fachaufsichtsbeschwerden?
Frage:
Gab es in den letzten Jahren Klagen vor dem Sozialgericht wegen Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht?
Falls ja: Wie wurde entschieden?
Frage:
Wurde Schadenersatz gezahlt und in welcher Höhe?

Antwort:
Zum Thema Beratungspflicht nach §14 SGBII

– Im Bereich Markt&Integration erhalten Neuantragsteller sofort einen Gesprächstermin. Im Bereich Leistungsgewährung wird mit der terminierten, persönlichen Antragsabgabe gearbeitet. Hier erhalten die Antragsteller Beratung und Informationen rund um ihre Rechte und Pflichten, um Angebote der Arbeitsvermittlung sowie den Leistungsbezug. Die Integrationsfachkräfte sind an fünf Tagen in der Woche während der Öffenungszeiten ansprechbar. An vier Tagen in der Woche gibt es die offenen Sprechzeiten in der Leistungssachbearbeitung. Darüber hinaus sind die Integrationsfachkräfte und Leistungssachbearbeiter telefonisch erreichbar.
– Die Mitarbeitenden erkennen den Beratungsbedarf aufgrund der Fallgestaltung. Bei komplexen Vorgängen werden die Leistungsbezieher telefonisch kontaktiert oder erhalten einen persönlichen Termin. Des Weiteren schildern die Leistungsbeziehenden ihre Anliegne bereits bei Antragstellung, bei persönlichen Vorsprachen sowie schriftlich oder telefonisch.
– Seit Februar 2019 wird die Leistungsrechtliche Beratung bei allen Mitarbeitenden der Bereiches Leistungsgewährung (ca. 90 Personen) in einer komplexen modularen Weiterbildung geschult. Die Inhalte bestehen aus Beratungsmethodik und praktischen Übungen zur leistungsrechtlichen Beratung. Diese Seminare weden bis Mai 2020 abgeschlossen sein, Danach erfolgen Fluktuationsschulungen, um das Wissen neu angesetzten Mitarbeitenden zu vermitteln. Bei den Integrationsfachkräften ist das Schulen der Beratungskompetenz seit Anbeginn fester Bestandteil der Einarbeitung und Fortbildung.
– Über das Kundenreaktionsmanagement gab es bisher die Beschwerde eines Leistungsbeziehers. Klagen wegen Verletzung der Beratungspflicht gibt es keine.

5.
Frage:
Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel der Sachbearbeiter/innen in Bezug auf die Anspruchsberechtigten?
Bitte gesondert Arbeitsvermittler/innen und Leistungssachbearbeiter/innen aufführen.

Antwort:
Die Betreuungsschlüssel im Bereich der Leistungsgewährung beträgt 1:115. Im Bereich Markt&Integration sind die Betreuungsschlüssel bei erwerbsfähigen Leitungsbeziehern U25 (unter 25 Jahren) 1:75, bei Ü25 (ab 25 Jahren) 1:150.