Kreistagssitzung am 3. Dezember 2025: Die Fraktion DIE LINKE. stellt zum Anpassungsbeschluss zum Haushalt 2025/2026 den folgenden Änderungsantrag:
Der Kreistag möge beschließen:
1. In den Anpassungsbeschluss Haushalt 2026 werden 21 Millionen Euro eingestellt, um mit diesem Betrag die Stammeinlage der kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft aufzustocken und der WoBau den nötigen finanziellen Start zum eigenen Bauen zu ermöglichen.
2. Der Wetterankreis unterstützt die Kommunen beim Aufbau eines Leerstandskatasters, mit dem Ziel, Leerstand wieder in Wohnraum zu verwandeln.
3. Zudem baut der Wetteraukreis eine Wohnungsbörse auf und betreibt sie. Die Börse wird breit beworben, damit Haus- und Wohnungseigentümer ihre Angebote an die Wohnungsbörse melden und Wohnungssuchende über das Angebot informiert werden.
Begründungen:
1.
DIE LINKE. Fraktion hält ihren Antrag zum Haushaltsentwurf 2025/2026 vom März 2025 aufrecht. Die kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft muss ertüchtigt werden , damit sie selbst Wohnraum bauen kann.
Dafür braucht sie eine hinreichende Kapitalquote, die Kreditaufnahmen ermöglicht.
Dass die kreiseigene WoBau in absehbarer Zeit Stufe 3 erreicht und selbst baut, ist dringend erforderlich, um wirklich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den Mietpreissteigerungen etwas entgegenzusetzen.
Die minderen Mittel, die in diesem und den nächsten Haushalten für Stufe 1 (Förderrichtlinien) und Stufe 2 (Unterstützung der Kommunen bei der Schaffung von Wohnraum) vorgesehen sind, sind nicht im mindesten ausreichend, um der Problemlage zu begegnen.
Stufe 3 scheint uns gar nicht beabsichtigt. Man orientiert sich an Gießen, wo die dortige WoBau nach Jahren nicht zur eigenen Bautätigkeit weiterentwickelt wurde. Wäre es anders, würden Mittel sukzessive bereit gestellt.
Wir dringen darauf, dass die Gründung der WoBau des Wetteraukreises auch eine BAUgesellschaft wird – und zwar in absehbarer Zeit – und damit eine Bremse für explodierende Mieten.
Dass dies möglich ist, zeigt der Blick auf Kommunen, die der sozialen Wohnungspolitik Raum geben. Beispiel: Der Wiener soziale Wohnungsbau bremst die Mietpreise, indem er rund die Hälfte der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versorgt. Zusätzlich stabilisiert der direkte Preis des sozialen Wohnungsbaus das allgemeine Mietniveau in der Stadt.
Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie diesen Zusammenhang ausführlich dargestellt: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-wie-wirken-mietpreisbremse-sozialer-wohnungsbau-wohngeld-neue-studie-untersucht-77-3138.htm
Investitionen in den Bau bezahlbaren Wohnraums müssen vom Wetteraukreis ebenso priorisiert werden, die Investitionen in den Schulbau!
Die Wohnungsnot – besonders im unteren Preissegment – hat gemeinwohlschädigende Formenangenommen: Zunehmend macht wohnen arm: Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat dazu eine Untersuchung herausgegeben.
Hier zum Nachlesen: https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Wohnen/doc/Kurzexpertise_Wohnarmut_24_12_13.pdf
Die Wohnkosten sind so stark angestiegen, dass inzwischen 17,5 Millionen Menschen von Wohnarmut betroffen sind. Werden in die Statistiken die Wohnkosten mit eingerechnet, entspricht die Armutsquote in Deutschland 21,2 Prozent.Besonders betroffen sind Alleinerziehende, junge Erwachsene, Menschen über 65 Jahren und Erwerbslose: In diesen Gruppen ist mindestens ein Drittel überdurchschnittlich durch die Miete belastet und fällt nur deshalb unter die Armutsgrenze.
In einer Studie für die Immobilienmesse Expo Real hat das Pestel-Institut im Oktober 2025 darauf aufmerksam gemacht, dass die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum die Voraussetzung dafür ist, dass Fachkräfte gewonnen, bzw. gehalten werden können.
Auch Wohnungswechsel hin zu einer möglichen Arbeitsstelle sind oft nicht mehr möglich, wenn eine Region ein Defizit an bezahlbarem Wohnraum aufweist.
Auch haben einkommensschwache Haushalte keine Rücklagen für einen Umzug.
Anwärter:innen auf Arbeitsstellen müssen vor Ort eine bezahlbare Wohnung finden können.
Unterstützungsmaßnahmen, wie Wohngeld oder die KdU (Kosten der Unterkunft bei SGB II + SGB XII) sind in den letzten Jahren immens gestiegen: 2024 wurden mehr als 20 Milliarden Euro zur Unterstützung fürs Wohnen ausgegeben, an Menschen, die sich ansonsten Wohnen nicht leisten könnten. Davon fallen 15 Milliarden auf die KdU und 5 Milliarden auf das Wohngeld.
Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau lediglich bei 2,5 Milliarden Euro!
Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit 8-mal so hoch wie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Das ist ein deutliches Missverhältnis!
2.
Wenn Wohnraum fehlt, muss Leerstand abgebaut werden. Dafür braucht man Kenntnisse über den realen Leerstand.
Im Bundesdurchschnitt stehen nicht nur die als „notwendig“ anerkannten 3 Prozent der Wohnungen leer. Zusätzlich wurde herausgefunden, dass die Hälfte der leerstehenden Wohnungen bereits über 12 Monate unbewohnt war. Oft bleibt der Leerstand auf Dauer bestehen – am Häufigsten in Zweifamilienhäusern.
Um Maßnahmen gegen Leerstand zu ergreifen, muss man wissen wie viel Wohnraum leer steht, wie lange er leer steht und wo sich die leerstehenden Wohnungen befinden.
Das Bundesbauministerium empfiehlt einige Maßnahmen zur Reaktivierung von Leerstand und schätzt „das Implementieren lokaler Management und Kümmererstrukturen in Kombination mit Städtebauförderung und sozialer Wohnraumförderung“ als wirksam ein. Es hat 790 Millionen Fördermittel bereitgestellt. Der Wetterankreis kann solche (zu knapp bemessenen aber vorhandenen) Fördermittel nicht ausschöpfen, wenn keine Daten vorliegen.
3.
Es ist viel von der Belastung durch Zuwanderung die Rede. Größtes Problem ist die Unterbringung der Geflüchteten in regulären Wohnungen – raus aus den Gemeinschaftsunterkünften.
Der überspannte Wohnungsmarkt im unteren Preissegment kann die Wohnungsnot nicht regeln. So kommt es zu Konkurrenz um das verknappte Wohnungsangebot. Das schürt Ressentiments und Ausländerfeindlichkeit.
Dass es dringend öffentliche Wohnungen geben muss, bestreitet inzwischen niemand mehr ernsthaft. Das Problem kann nicht weiterhin auf die wohnungssuchenden Menschen abgewälzt werden. Es ist die jahrelange Untätigkeit des Wetteraukreises, die mit zur Verknappung des Wohnraums beigetragen hat. Der Wetteraukreis hat zum Beispiel nichts unternommen, um den Rückgang der Sozialwohnungen um 40% binnen zehn Jahren aufzuhalten. Zehn Jahre wurde auch die kreiseigene WoBau verzögert.
Es wäre also an der Zeit, dass mehr getan wird. Eine Wohnungsbörse ist realisierbar. Im Falle der Zuwanderung von ukrainische Geflüchteten wurde das bereits einmal angeboten. ES ist eine Frage des politischen Willens.