Stadtverordnetenversammlung am 11. Dezember 2025:
Rede von Anja ElFechtali zum Haushaltsentwurf 2026
Herr Stadtverordnetenvorsteher. Meine Damen und Herren,
auch wir sehen mit Besorgnis, dass das ordentliche Ergebnis des Haushaltes einen negativen Betrag aufweist.
Aber wir denken nicht, dass – wie in den Haushaltsberatungen angeklungen – die gestiegenen Personalkosten, oder der Personalbedarf das Problem sind.
Wir sehen das Problem viel mehr in der fehlenden finanziellen Ausstattung der Kommunen durch Land und Bund.
Eine Politik, die seit Jahren die Reichen entlastet und mit den Steuergeldern der arbeitenden Menschen und des Mittelstandes den Rüstungsetat erhöht, hat kein Geld, seine Kommunen vernünftig finanziell zu auszustatten.
Das aufgelegte Sofortprogramm wird daran auch nichts grundsätzlich ändern, denn die Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden wird nicht langfristig gelöst.
Deshalb fordert Die Linke die Mitglieder der Regierungsparteien auf:
Führen Sie endlich Vermögens-, Erbschafts- und Reichensteuern ein!
Es kann doch nicht sein, das die kleinen und mittleren Einkommen den Staat überproportional finanzieren!
Meine Damen und Herren,
Die Linke begrüßt, dass die Verwaltung die Möglichkeit nutzt, das Minus im Haushalt mittels der außerordentlichen Rücklage abzufangen. Aber auch das ist nur eine kurzfristige Möglichkeit, wie die Kämmerin ausführlich erklärt hat.
Natürlich steigen die Personalkosten. Denn mit steigenden Aufgaben im kommunalen Bereich muss auch das Personal aufgestockt werden. Das kritisieren wir nicht.
Aber nicht alle Projekte des Bürgermeisters stoßen auf unsere Zustimmung.
Wir sind nicht davon überzeugt, das Friedberg einen Fokus auf den Ausbau des Tourismus legen sollte.
Selbstverständlich haben wir sehenswerte Gebäude in unserer Stadt: die Burg, die Stadtkirche, die Mikwe – um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen.
Aber wie der Fokus auf touristische Sehenswürdigkeiten unsere Stadt lebenswerter machen soll, erschließt sich uns nicht. Wir wollen nicht nur, dass es in Friedberg Gastronomie für Touristen gibt. Wir wollen, dass die Stadt für alle Einwohner lebenswert ist. Da sind dann doch andere Schwerpunkte sinnvoller.
Deshalb lehnen wir die Erhöhung des Personals für den Tourismus ab.
Das gleiche gilt für die Wirtschaftsförderung.
Selbstverständlich ist der Leerstand auf der Kaiserstraße kein schöner Anblick. Und wir wollen auch, dass Leerstand wieder zu Wohnungen wird.
Aber wir sind der Überzeugung, dass sich die Situation nicht dadurch verbessert, dass die Stadt durch so genannte „innovative Ideen“ die zu teuren Mietforderungen unterstützt und mitfinanziert.
Die Verwaltung sollte ein Konzept ausarbeiten, wie die Ladenmieten auf der Kaiserstraße auch für kleine Geschäfte wieder bezahlbar werden. Oder welche alternativen Nutzungsmöglichkeiten es gibt, die nicht so gewinnorientiert sind.
Aber wir sehen auch positive Ansätze in diesem Haushalt, meine Damen und Herren.
Wir begrüßen die Erhöhung der Gelder für die Wohnungsbaugesellschaft von 200.000 Euro auf 500.000 Euro.
Und nachdem dies auf Antrag der CDU im Ausschuss beschlossen wurde, können wir nur sagen: Links wirkt!
Denn inzwischen hat selbst die CDU verstanden, dass bezahlbarer Wohnraum in Friedberg fehlt.
Und da die FDP nicht widersprochen hat, hoffen wir, dass auch sie vielleicht verstanden hat, dass der Wohnungsmarkt nichts regelt.
Meine Damen und Herren,
ohne den Bau von genügend Sozialwohnungen, werden die Mieten in Friedberg nicht sinken. Auch der Wohnungsmarkt unterliegt der kapitalistischem Logik von Angebot und Nachfrage. Wenn im unteren bis mittleren Preissegment nicht genügend Wohnraum vorhanden ist, fallen nicht plötzlich die Preise bei den besseren Wohnungen.
Nein! Im Rhein-Main-Ballungsgebiet gibt es noch genug Bedarf nach guten und luxuriösen Wohnungen. Es werden zwangsläufig auch im oberen Segment die Preise steigen.
Wir in Friedberg sollten aber besonders der Spekulation mit Wohnraum entgegenwirken!
Es freut uns, dass auch Sie jetzt erkannt haben, dass man der Mietpreisexplosion nur durch sozialen Wohnungsbau begegnen kann.
So – und zuletzt noch ein paar Worte zur Digitalisierung der Verwaltung.
Selbstverständlich ist eine Digitalisierung der Verwaltungsarbeit ein begrüßenswerter Schritt. Eine Verwaltung soll effektiv und leistungsfähig sein.
Wir sehen das Ganze aber auch kritisch. Die Verwaltung arbeitet nicht einfach vor sich hin, sondern sie erbringt Dienstleistungen für die Bürger:innen der Stadt.
Also muss es auch weiterhin für die Bürger:innen Friedbergs die Möglichkeit zum analogen Kontakt geben. Anträge digital zu stellen, ist wahrscheinlich für viele eine gute Lösung. Aber es gibt auch Menschen, die haben Fragen, brauchen Beratung oder können einfach nicht mit der digitalen Technik umgehen. Oder sie kommen nicht mit dem Amtsdeutsch oder den teilweise unübersichtlichen Webseiten und Formularen zurecht.
Und das sind mitnichten nur ältere Menschen, wie immer behauptet wird. Es sind auch Menschen, die sich eine digitale Ausstattung und/oder einen Internetzugang nicht leisten können. Oder zum Beispiel Menschen mit Behinderung oder Kranke.
2,8 Millionen Menschen in Deutschland haben kein Internet. Aber auch sie müssen Zugang zur Verwaltung der Stadt haben.
Und im Sinne der Barrierefreiheit sollten analoge Zugänge zu Dienstleistungen der Stadt Friedberg auch zukünftig in allen Bereich möglich sein.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.