Kreistag, 18. Dezember 2024:
Herr Kreistagsvorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren!
Was hat es in diesem Land nicht schon für staatliche Versuche gegeben, Asylsuchende sozial-rechtlich zu auszugrenzen – Essenspakete, Wertgutscheine, Leistungen deutlich unter dem Existenzminimum.
All das war immer von ätzender Hetze und Diskriminierungen begleitet.
Jetzt soll also eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt werden.
Aber: Ist es nicht schizzophren, dass unserem Land, dessen Wirtschaft und dessen Öffentliche Dienste tagein tagaus nach Fachkräften schreien, nichts anderes einfällt, als Migranten die Integration zu erschweren? Die Behördenpraxis repressiv zu gestalten? Ausländische Abschlüsse nicht oder erst nach Jahren anzuerkennen? Bei Sprach- und Integrationskursen zu kürzen und junge Geflüchtete nicht zu bilden und auszubilden?
In den letzten Monaten erlebten wir einen beispiellosen Rechtsruck in der Asylpolitik.
Vor allem CDU/CSU und AfD trieben die Ampelparteien vor sich her, die sich leider als willige Vollstrecker rechter Polik erwiesen.
Neben total dumpfer rassistischer Hetze gibt es zahlreiche Versuche , die Rechtsentwicklung mit fadenscheinigen „Argumenten“ zu übertünchen:
Sozialleistungen würden Geflüchtete anziehen, sie seien ein starker „Pullfaktor“. Geflüchtete transferieren ihr vieles Geld ins Ausland. Schlepperkriminalität würde verstärkt. So schallt es in Leierkastenmanier aus den Medien.
Sozialwissenschaftler haben dazu Untersuchungen angestellt, mit dem Ergebnis: Aus der Wissenschaft gibt es dafür keine Belege.
Im Gegenteil: Sozialleistungen sind ein sehr schwacher Pull-Faktor.
Dagegen ist Demokratie ein starker „Pull-Faktor“. Wenn sich Migranten darauf verlassen können, dass sie in Zielländern auch in Krisenzeiten human und rechtsstaatlich behandelt werden – dann ist das attraktiv. Außerdem die Aussicht, sich und seinen Kindern mit Arbeit und Bildung ein stabiles Leben aufzubauen. Das gelingt in größeren Wirtschaftsräumen, wie Deutschland, Frankreich oder USA besser als in kleinen und schwachen.
Außerdem: Geldtransfers ins Heimatland leisten vor allem Migranten, die sich schon integriert haben und denen es wirtschaftlich besser geht. Und Schlepper bezahlt man vor einer Reise, das dürfte eigentlich jedem klar sein.
Fazit: Meine Damen und Herren, es ist vorhersehbar, dass die propagierten Ziele der Bezahlkarte nicht erreicht werden. Wollte man die Migration senken, müssten die Fluchtursachen beseitigt werden. Und die schaffen wir derzeit massenhaft mit Krieg, Waffenlieferungen und Umweltzerstörung.
Stattdessen hat die Debatte um die Bezahlkarte rassistische Vorurteile und Hetze gegen Geflüchtete noch salonfähiger gemacht.
Sie meine Damen und Herren der Kreisspitze planen nun sogar für Personengruppen die Bezahlkarte einzuführen, für die sie gar nicht eingeführt werden müsste: Nämlich alle, die bereits einige Zeit im Wetteraukreis leben.
Sie begründen das mit der Gleichbehandlung der Geflüchteten.
Eine schäbigere Begründung ist ihnen wohl nicht eingefallen?
Wie kann man eine Gleichheit anpreisen, die auf der untersten und diskriminierendsten Ebene der Existenzsicherung angesiedelt ist?
Für die Geflüchteten werden Möglichkeiten sparsamen Wirtschaftens mit der Bezahlkarte erschwert. Das Einkaufen auf dem Flohmarkt, in Secondhand-Läden oder über Kleinanzeigen ist nicht mehr möglich. Onlinekäufe mit Ratenzahlung sind nicht vorgesehen. Es wird unmöglich, sich solidarisch zu unterstützen, wenn Zahlungen der Ämter ausbleiben.
Nur um ein paar Schwierigkeiten zu nennen.
Und die Bezahlkarte wird auch für die Verwaltungen weder billiger noch vom Arbeitsaufwand her geringer sein, als die bisherige Bearbeitung und Überweisung auf das Basiskonto. Das hat selbst das Innenministerium schon halberwege zugegeben.
Deswegen fordern wir Sie auf: Verzichten Sie auf vorauseilenden Gehorsam! Führen Sie keine Bezahlkarte für Personengruppen ein, für die Sie nicht verpflichtet sind, sie einzuführen!
Lassen Sie sich nicht von den menschenfeindlichen Positionen der Rechten beeindrucken!