12. Dezember 2025
Herr Fischer, meine Damen und Herren,
Ich bin Marxistin.
Mir ist also klar, dass die Ökonomie die Grundlage für eine Gesellschaft und ihre Entwicklung ist.
Und dass das auch für eine Kommune gilt.
Nur: Wir leben im Kapitalismus.
Und noch viel schlimmer: In den vergangenen 40 Jahren hat der Neoliberalismus geherrscht, bei dem Gemeinwohl und Gemeinwesen keinen Stellenwert haben. Das war Politik für die obersten paar Prozent.
Neoliberale Wirtschaft und Politik haben nicht nur für ein Fünftel der Bevölkerung Armut hervorgebracht, sondern auch unterfinanzierte Kommunen.
Weil man das Geld eben nicht zur Gestaltung des Lebens der Menschen verwendet, sondern damit lieber große Vermögen entlastet und beschenkt.
Die CDU hat hier in Karben eine satte Mehrheit.
Ich will heute dem Bürgermeister mal konstatieren, dass er sich nicht vom Gemeinwohlgedanken verabschiedet hat.
Das ist in dieser Zeit des Ego-Kapitalismus immerhin nicht unbedingt zu erwarten.
Bei der CDU bin ich diesbezüglich unsicher.
Ich habe noch nie verstanden, warum eine Partei, die „christlich“ als Wertebestimmung im Namen trägt, sich nicht an der christlichen Soziallehre orientiert und nicht dafür eintritt, dass die Verantwortung für den Nächsten in den Regierungen, an denen sie beteiligt ist, eine vorrangige Rolle spielt.
Warum sie Armut nicht nur duldet, sondern mit ihren Regierungen auch schafft. Und warum sie sich vom Friedensgebot der Bibel verabschiedet hat: Bergpredigt: „Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Kinder Gottes heißen“ (Matthäus 5,9), was zu aktivem Friedenmachen auffordert, anstatt nur friedfertig zu sein.
Meine Damen und Herren,
die Frage stellt sich: Können wir in Karben ein Gemeinwesen haben, wenn rundum ganz andere Ziele verfolgt werden, als ausfinanzierte Städte und Gemeinden?
Ist das Richtige im Falschen möglich?
Wahrscheinlich nicht. Aber wenn man nicht versucht, an einem Gemeinwesen zu arbeiten, in dem alle einen Platz haben, kommt das einer Kapitulation gleich.
Deshalb unterstütze ich die im Haushalt aufgeführten Investitionen.
Und damit die bezahlt werden können, bin ich grundsätzlich auch dafür, dass sich die Stadt um Gewerbeansiedlungen bemüht.
Oder dass versucht wird abzufedern, wenn etwa Conti oder König+Neurath als große Betriebe wegfallen.
Es ist richtig, Standortpolitik zu machen.
Ich finde es auch sinnvoll, wenn die Stadt Boden- und Immobilienwirtschaft betreibt.
10 Millionen aus dem Verkauf von Grundstücken haben den Haushalt 2026 entlastet.
Außerdem wäre das ein Mittel, damit in Karben wesentlich mehr bezahlbarer Wohnraum in städtischer Hand entstehen kann.
Deshalb habe ich eine Aufstockung des Betrags beantragt, der zum Ankauf von Grund und Immobilien vorgesehen ist.
Dennoch weiß jeder: Der Verkauf eines Grundstückes ist nur einmal möglich. Und Grund und Boden sind endlich.
Wir können den guten Wetterauer Boden nicht bedenkenlos für Bau- und Gewerbegebiete verschwenden.
Aber Karben wird weiter wachsen.
Deshalb braucht es ein längerfristiges Zukunftskonzept für die Entwicklung der Stadt: Wohin soll Gewerbe, wo sollen Wohnungen gebaut werden, welche Flächen sollen frei bleiben und vor Flächenfraß geschützt sein?
Klar nutzt man Gelegenheiten. Klar greift man zu, wenn es eine Initiative des Landes gibt, wie den Frankfurter Bogen oder wenn Rapps nach Vilbel umzieht.
Es ist aber besser, man plant zukünftige Freiflächen und schützt sie vorsorglich.
Die Salamitaktik, mit der ein Gebiet nach dem anderen zum Baugebiet wird, ohne Freiflächen zu sichern, halte ich nicht für sinnvoll. Denn es wird in Zukunft mehr Hitzezeiten geben – man braucht Platz für kühlende Luftströme. Es wird Probleme mit dem Wasser geben – man braucht größere Versickerungsflächen zum Grundwasserschutz. Und es wird Extremwetterereignisse geben, wie Starkregen – und man braucht dafür keine Baugebiete in möglichen Flutzonen, wie an der Nidda oder am Heitzhöferbach in Petterweil.
Freiflächen sind auch dann wichtig, wenn sich mit Grundstücken viel Geld verdienen lässt.
Meine Damen und Herren,
jetzt in aller Kürze noch einige sozialpolitische Aspekte. Denn hier entscheidet sich ja konkret, ob Karben lebenswert für alle ist.
Natürlich steht an erster Stelle, dass es auch für einkommensschwache Haushalte möglich sein muss, eine Wohnung zu finden. Dazu braucht es mehr Mietwohnungen. Und zwar bezahlbare und keine Luxusflats. Hier muss die Stadt viel mehr Verantwortung übernehmen und wegkommen von den Baugebieten mit Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern.
Ein anderes Problem sind die Kinderbetreuungskosten.
Ich habe jetzt die Abrechnung einer jungen Familie gesehen, die zwei Kinder hat. Eins besucht die U3-Betreuung und eines die Schülerbetreuung des ASB.
Die Familie bezahlt U3 Gebühr: 494 Euro, plus 90 Euro für Verpflegung und Getränke.
Für die Schülerbetreuung: 202 Euro plus 92 Euro für Mittagessen: Das sind zusammen 878 Euro im Monat.
Was muss eine Familie verdienen, um sich das leisten zu können? Eine Familie mit niedrigem Einkommen kann das nicht.
Auch in den Kindergärten fallen trotz der sechs freigestellten Stunden hohe Gebühren an, denn Sie haben ja die gestaffelten Kindergartengebühren verändert, indem Sie die ersten drei Einkommensstufen zusammengelegt haben.
Jetzt ist es ja nicht so, dass mir nicht klar wäre, welche Belastung die Kosten für Kinderbetreuung für die Stadt darstellen.
Der Bürgermeister sagt an so einer Stelle immer: Da muss „die Politik“ was tun. Doch die Politik, meine Damen und Herren, das sind Ihre Parteifreunde im Kreis, im Land und im Bund. Setzen Sie denen zu! Tun sie mal was als Politik!
Und zuletzt noch zu zwei linken Anträgen, die heute behandelt werden:
Erstens: Ich habe wiederholt mehr Geld für den Schutz von Frauen bei häuslicher Gewalt beantragt. Die nimmt leider stetig zu. Wenn man es irgendwie ernst meint mit der Demokratie, dann ist der Schutz von Frauen und Mädchen eine vorrangige Aufgabe.
In Karben wird mit hohen Summen Politik gemacht. Warum dann im Haupt- und Finanzausschuss wegen 5000 Euro mehr für den Frauenschutz das Geschacher losgeht, ist nicht akzeptabel. Und ich bin da auch nicht mit 550 Euro Aufstockung zu beruhigen. Das zeigt nur, dass man das Problem überhaupt nicht begriffen hat. Frauenschutz ist nicht irgend ein weiterer Verein, der auch noch Geld bettelt, wie der Tierschutz oder so… Das muss man sich dann anhören!
Ich kriege immer noch Schnappatmung!
So. Aber zweitens freue ich mich nun zum Schluss doch noch. Der Magistrat ist dem Linken Antrag entgegengekommen und will Geld zur Umgestaltung vorhandener Plätze bereit stellen, damit sie als Treffpunkte in den Stadtteilen dienen können. Ich hoffe, sie werden so attraktiv, dass die Menschen dieses Angebot zahlreich annehmen. In einem Gemeinwesen sind Sozialräume ohne Konsumzwang wichtig: Zum Kennenlernen, gegen Einsamkeit, für den Zusammenhalt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.